Die EZB und der Leitzins: Keine Inflation aus dem Lehrbuch

Die EZB und der Leitzins: Keine Inflation aus dem Lehrbuch Bild: IMAGO / Panama Pictures

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins um 0,75 auf 2 Prozent angehoben, der Einlagensatz steigt nun auf 1,5 Prozent. Mit diesem großen Schritt sei die Arbeit aber noch nicht erledigt, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz am Donnerstag. »Es ist noch mehr in der Pipeline.«

Durch die Anhebung werden Kredite teurer, das Sparen wird wieder attraktiver, der Konsum sinkt und die Preise auch. Das sollte theoretisch gegen die Inflation helfen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) kommt nach einer Untersuchung allerdings zu dem Schluss, dass die Erhöhung an der aktuellen Inflation nichts ändern werde. Der Warenkorb, mit dem die Inflation berechnet wird, bestehe zu 51,9 Prozent aus Waren, deren Preis aufgrund der gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten gestiegen ist, heißt es in einem Bericht auf dem Onlineportal der »Tagesschau«. Die Zinserhöhung wirke sich aber eher auf Güter und Dienstleistungen aus.

Der ehemalige Wirtschaftsweise Volker Wieland ist der Meinung, dass die Zinserhöhung sehr wohl einen Effekt auf die Inflation habe, denn diese sei ein monetäres Problem, dessen Ursache letztlich unerheblich sei. Die Inflation sei Kaufkraftverlust einer Währung, deren Angebot die EZB kontrolliere, deshalb hätte die Anhebung des Zinses seiner Ansicht nach mit einem Prozentpunkt auch höher ausfallen können. »Der für den Geldmarkt relevante Einlagezinssatz liegt nun bei 1,5 Prozent. Das reicht natürlich noch nicht, es werden weitere Zinsschritte folgen müssen«, sagt der Professor für Monetäre Ökonomie. Er sieht noch einen weiteren Aspekt: »Wir haben dieses Mal keinen Einbruch der Nachfrage bei weiterhin hohem Angebot. Stattdessen haben wir ein Einbruch des Angebots, weil aufgrund der hohen Energiekosten die Produktion zurückgeht.« Tendenziell könne die Inflation also in der Rezession hoch bleiben oder zunehmen, weil die Nachfrage nicht so schnell sinke wie das Angebot.

Dass weitere Zinsschritte folgen müssen, findet auch Emanuel Mönch, Professor für Geldpolitik und Finanzmärkte an der Frankfurter School of Finance & Management. Es gebe Anzeichen für Zweitrundeneffekte, denn Gewerkschaften und Arbeitgeber würden inzwischen deutlich höhere Lohnabschlüsse vereinbaren, die Mieten stiegen, das trage zu einem weiteren Preisanstieg bei und die EZB müsse schnell gegensteuern. Der EZB-Rat geht dem Bericht zufolge davon aus, dass sie die Zinsen weiter anheben wird. Die Notenbanker wollen unbedingt vermeiden, dass sich die hohe Inflation in den Köpfen der Menschen festsetzt.

Im Juli hatte die Notenbank den Leitzins um 0,5 Prozent angehoben, zum erstem Mal nach elf Jahren. Im September folgte dann ein weiterer Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte. Die nächste Zinssitzung steht im Dezember an.

MK

 

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