Partizipation darf nicht zur Posse werden.

Von Gregor Marweld

 

Unter dem Motto „Gemeinsam Stadt machen“ fand am 19. März 2018 die erste Werkstatt zur Bürgerbeteiligung statt. Bürgerbeteiligung ist eines der Herzensanliegen von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher. Ziel der Werkstätten ist es, allen Berlinern die Möglichkeit zu geben, aktiv an der Entwicklung von Leitlinien zur Bürgerbeteiligung mitzuwirken. Wie wichtig verbindliche Leitlinien sind, hat die Auftaktveranstaltung zum Entwicklungsgebiet Blankenburg-Süd gezeigt.

Mehr als zwei Jahre lang hatten sich Anwohner und Planer im Vorplanungsprozess darauf verständigt, dass 6000 Wohnungen errichtet werden sollen. Im Rahmen der Auftaktveranstaltung wurde nun verkündet, dass aus den ursprünglich geplanten 6.000 Wohnungen 10.000 werden sollen. Zum Unmut der Anwohner, die sich zu Recht hinters Licht geführt und vor vollendete Tatsachen gestellt fühlen. Die bislang kommunizierten 6.000 Wohnungen hätten sich nur auf das 70 Hektar große Kerngebiet bezogen. Im Laufe der Planungen hätte sich kurzfristig ein Flächenpotenzial von 420 Hektar herauskristallisiert – so Lompschers Erklärung. Der Detailierungsgrad der Planungen ließ jedoch vermuten, dass die neue Größenordnung schon mindestens ein Jahr bekannt war. Dafür spricht, dass sich das Land Berlin bereits im Juni 2017 das Vorkaufsrecht an den angrenzenden Kleingartenanlagen „Familiengärten“ und „Blankenburg“ gesichert haben soll.

 

Gregor Marweld: „Miteinander wird Makulatur.“

Katrin Lompscher begründet das gescheiterte Partizipations-Pilotprojekt mit dem Dilemma, dass eine frühzeitige Kommunikation Unsicherheiten, Missverständnisse und Ängste auslöse, während man sich bei einer kurzfristigen Kommunikation dem Vorwurf aussetze, alles sei schon entschieden. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass durch eine möglichst frühe Beteiligung der Nachbarn, einen transparenten und nachvollziehbaren Prozess sowie die Bereitschaft aller Seiten, sich auf Kompromisse einzulassen, Beteiligungsprojekte deutlich friedlicher verlaufen. Nach dem misslungenen Auftakt will die Stadtentwicklungssenatorin die Berliner nun wirklich beteiligen: In einem vierwöchigen Online-Beteiligungsprozess sollen die Bürger „Stärken und Schwächen“ der einzelnen Varianten benennen. Die Eingaben sollen den Berliner Abgeordneten denn als „Entscheidungsgrundlage“ vorgelegt werden.

Die Architektenkammer nahm den gescheiterten Partizipations-Auftakt zum Anlass, qualifizierte und transparente Wettbewerbsverfahren einzufordern: Es sei völlig unverständlich, warum es derzeit in Berlin üblich sei, riesige neue Stadtquartiere wie in Blankenburg ohne städtebauliche und landschaftsplanerische Wettbewerbe voranzutreiben. Dabei könnten auch die Wünsche der Anwohnenden in die Auslobung einfließen und diese an den Jurysitzungen beteiligt werden. Die Kombination aus Partizipation und Planungswettbewerb habe sich u.a. im Park am Gleisdreieck in Kreuzberg bewährt. Dem kann ich nur zustimmen. Ins Gremium, das bis Ende 2018 den Partizipationsleitfaden zur Bürgerbeteiligung erarbeitet, wurden übrigens weder Architekten noch Vertreter der Immobilienwirtschaft eingeladen. Somit wird echtes Miteinander Makulatur.

 

 

Bild: Gregor Marweld

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