KMU kritisieren Grunderwerbsteuerreform: Diskriminierung des börsennotierten Mittelstandes

KMU kritisieren Grunderwerbsteuerreform: Diskriminierung des börsennotierten Mittelstandes IMAGO / Peter Schickert

Am 1. Juli 2021 tritt die kürzlich beschlossene Grunderwerbsteuerreform in Kraft. Die Gesetzesänderung enthält auch eine Reform sogenannter »Share Deals«. Diese wurden in der Vergangenheit mitunter zur Steuerumgehung eingesetzt. Um das zu verhindern, soll die Grunderwerbsteuer künftig auch dann ausgelöst werden, wenn innerhalb von 10 Jahren mehr als 90 Prozent der Anteile an einer Kapitalgesellschaft den Eigentümer wechseln. Eine Börsenklausel soll börsennotierte Gesellschaften davon ausschließen. Denn mit dem Börsenhandel geht ein häufiger Eigentümerwechsel einher und es würde laufend Grunderwerbsteuer anfallen, ohne dass ein Steuerumgehungstatbestand vorliegt.

In einer Pressemitteilung begrüßt der Interessenverband kapitalmarktorientierter KMU e.V. die Aufnahme einer Börsenklausel, bemängelt aber, dass mittelständische Unternehmen, die im Freiverkehr notiert sind, davon nicht erfasst würden. Dies betreffe insbesondere alle Unternehmen aus den Segmenten Scale der Deutschen Börse AG, m:access der Börse München und dem Primärmarkt der Börse Düsseldorf.

Der Interessenverband kapitalmarktorientierter KMU e.V. sieht darin eine nicht zu rechtfertigende mehrfache Diskriminierung des den Freiverkehr prägenden börsennotierten Mittelstandes und seiner Investoren. Konkret macht der Verband folgende Diskriminierungsvorwürfe:

  • eine Diskriminierung von Unternehmen des Freiverkehrs gegenüber Unternehmen des regulierten Marktes ohne sachlichen Grund,
  • eine Diskriminierung von Immobilienunternehmen gegenüber Emittenten anderer Branchen,
  • eine Diskriminierung von Emittenten mit betriebsnotwendigen Immobilien (»Betriebsgelände«) gegenüber Emittenten ohne Immobilienbesitz,
  • eine Diskriminierung deutscher mittelständischer Unternehmen gegenüber ausländischen Mittelständlern,
  • eine Diskriminierung von Investoren in Freiverkehrswerte gegenüber Investoren in Werte des Regulierten Marktes
  • und im Ergebnis eine Diskriminierung der Kapitalmarktfinanzierung gegenüber anderen Finanzierungsformen.

»Grundstückbesitzende Kapitalgesellschaften gehen an die Börse – gleich ob in den Freiverkehr oder in den Regulierten Markt – mit dem Zweck der Unternehmensfinanzierung und nicht, dass Investoren eine Grunderwerbsteuer umgehen können. Das gilt gleichermaßen für den Regulierten Markt wie auch für den Freiverkehr. Steuerrechtlich ist eine Gleichbehandlung beider Segmente somit dringend geboten«, so Ingo Wegerich, Präsident des Interessenverbandes kapitalmarktorientierter KMU e.V. und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft in der Mitteilung.

Die Grunderwerbsteuer ist eine Verkehrssteuer. Die Gesetzesänderung mache sie durchs Hintertürchen zu einer Substanzsteuer, so lautet die Kritik. Dies schädige die Reputation des Freiverkehrs in Deutschland nachhaltig. Auch das europäische Ziel einer Kapitalmarktunion und mit ihr die Förderung des Kapitalmarktzuganges für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) werde laut dem Interessenverband durch einen deutschen Grunderwerbsteuer-Umgehungstatbestand unterminiert.

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