Wie Strategieberatung Finanzdienstleistern helfen kann, falsche Glaubensätze abzulegen
Wird das STRATAVIS-Team von einem Mandanten angefragt, geht es meist darum, dessen Umsetzungskompetenz zu stärken. Etwa ein Viertel solcher Aufträge stammen aus der Finanzdienstleistung. Warum hat gerade diese Branche ein derart hohes Optimierungsbedürfnis? Wir haben mit Thorsten Schwack, dem geschäftsführenden Gesellschafter des Unternehmens für Strategieberatung, sowie mit Esra Erdem, zuständig für den Bereich Consulting & Training, über die typischen Herausforderungen im Bereich Finanzdienstleistung gesprochen – und über mögliche Lösungsansätze.
Herr Schwack, Ihre Firma hat sich zum Ziel gesetzt, andere Unternehmen bei der Verbesserung ihrer Performance-Qualität zu unterstützen – aus welchen beruflichen Bereichen stammen Ihre Klienten und wie groß ist dabei der Anteil an Finanzdienstleistern?
Schwack: Unsere Mandanten kommen aus unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen und Branchen. Dazu zählen unter anderem die Energiebranche, Investitionsgüter, Maschinen und Anlagenbau, sowie Mode und Textil. Der Anteil an Finanzdienstleistern liegt circa bei 25 Prozent. Dies sind sowohl Banken als auch Assekuranz-Dienstleister. Das Spektrum umfasst dabei klassische Seminare als auch Einzelcoachingmaßnahmen.
Mit welchen Fragestellungen kommen Klienten zu Ihnen? Werden Sie üblicherweise erst tätig, wenn Probleme aufgetreten sind oder unterstützen Sie auch vorbeugend?
Schwack: Wir unterstützen unsere Mandaten in allen Fragen rundum Führung und Management-Entwicklung. Auch zu strukturellen und prozessualen Themen bezüglich des jeweiligen Unternehmensaufbaus werden wir zu Rate gezogen. Der größte Anteil unserer Arbeit bezieht sich allerdings auf Anfragen zu den Themen Vertrieb, Verkauf, Beratungsqualität und Kundenorientierung. Natürlich suchen unsere Mandanten oft Unterstützung, wenn es zu Performanceverlusten oder Marktveränderungen gekommen ist, mit denen ein passender Umgang gesucht wird. Aber wir kommen auch dann zum Einsatz, wenn neue Strategien umgesetzt werden sollen und proaktiv eine positive Entwicklung angestrebt wird.
Bild: Jascha van den Berg
Frau Erdem, Sie haben selbst ihre beruflichen Wurzeln in der Finanzdienstleister-Branche. Inwiefern hilft Ihnen das, die Schwierigkeiten der Branche nachzuvollziehen und Finanzdienstleister effizient zu unterstützen?
Erdem: Das ist natürlich enorm hilfreich, schließlich geht es in unserer und meiner Arbeit nicht einfach nur um die Vermittlung diverser Fachinhalte und die reine Wissenserhöhung, sondern um die Stärkung von Umsetzungskompetenz. Hierfür setze ich mein gesamtes Erfahrungsspektrum ein und entwickle gemeinsam mit meinen Teilnehmern neue und zielführende Handlungsoptionen. Darüber hinaus begleite ich eine Vielzahl meiner Teilnehmer auch in ihrem Tagesgeschäft und unterstütze dabei aktiv die entsprechende Umsetzung. Theoretiker sind hier sicherlich nicht erfolgreich. Mein Anspruch ist die Sicherstellung eines ausgesprochen hohen Praxisbezuges.
Warum benötigen Finanzdienstleister überhaupt Ihre Unterstützung? Was steht dem nachhaltigen Erfolg der Unternehmen Ihrer Ansicht nach vor allem im Weg und welche Herangehensweisen wären Ihrer Meinung nach zielführender?
Erdem: Finanzdienstleister sind in ihrem Erfolg ebenso wie alle anderen Wirtschaftsunternehmen von der nachhaltigen Zufriedenheit ihrer Kunden abhängig. Leider ist es gerade in der Finanzdienstleistung bei vielen Beratern immer noch üblich, ihre Beratung an den für sie kurzfristig am höchsten ausfallenden Provisionen auszurichten. Damit steht der Kunde leider oft nicht mehr im Zentrum der Beratung und dessen Bedürfnisse werden daher oftmals nicht ausreichend berücksichtigt, oder sogar außen vor gelassen.
In unserer Philosophie ist aber genau das der Ausgangspunkt, für den Aufbau erfolgreicher Kundenbeziehungen. Diese wiederum bilden aus meiner Sicht auch das Fundament für nachhaltigen Erfolg. Und zwar sowohl für den Kunden als auch für den Finanzdienstleister. Teil meiner Herangehensweise ist daher also auch eine professionelle und realistische Bedarfs- und Zielanalyse auf deren Ergebnissen dann alle relevanten Kompetenzen geschult und entwickelt werden, die für eine optimale Beratung notwendig sind. Es geht dabei auch darum, sich ernsthaft mit dem Kunden auseinanderzusetzen, sich entsprechend einzusetzen und gegebenenfalls auch durch die berühmte »Extrameile« nicht nur Zufriedenheit, sondern Begeisterung auszulösen. Tatsächlich ist dieser Ansatz etwas Besonderes, wenn man ihn ernsthaft verfolgt.
Sie sagten in unserem Vorab-Gespräch, das Vertrauen enorm wichtig sei, denn viele Kunden hätten bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Welche Erfahrungen bleiben dem Kunden üblicherweise negativ im Gedächtnis – können Sie das konkretisieren?
Erdem: Ein Leitmotto vieler Berater ist das sogenannte »AUA-Prinzip« in der Finanzdienstleistung. Leider habe ich selber eine Vielzahl an Beratern kennengelernt, die nach der Idee »Anhauen, Umhauen, Abhauen« vorgegangen sind. Für Kunden bedeutet dies, dass sie Regenschirme verkauft bekommen, wenn die Sonne scheint, aber sobald es regnet im Regen stehen gelassen werden.
Bild: Jascha van den Berg
Konkret haben sich in den letzten Jahren viele Kunden nicht ausreichend betreut oder wertgeschätzt gefühlt, wenn es im Nachgang zu Vertragsabschlüssen Fragen oder Probleme gab – von der teilweise unkonventionellen Art von Schadensabwicklungen ganz zu schweigen.Oft ist es auch so, dass Kunden gar nicht ausreichend darüber aufgeklärt sind, welche Art von Verträgen sie tatsächlich unterschreiben und welche Folgen und Nachteile dies im Zweifel auch für sie haben kann. Insofern wird das Vertrauen vieler Kunden von der Finanzdienstleistung oftmals ausgenutzt und dies bleibt mittel- und langfristig in der Regel nicht verborgen. Dementsprechend groß sind dann auch die Enttäuschung und der Grad der persönlichen Betroffenheit bei vielen Kunden.
Wie gelingt es einem Finanzdienstleister, nach solchen Erlebnissen beim Kunden wieder Vertrauen aufzubauen?
Erdem: Herr Schwack und ich setzen hier ganz klar auf Ethik, Moral, Aufrichtigkeit und Authentizität. Gute Berater denken vorausschauend und handeln nachhaltig. Dies gilt es unter Beweis zu stellen. Wir entwickeln daher mit unseren Mandanten nicht nur zielführende Vertriebskonzepte, sondern erarbeiten gleichzeitig alle wesentlichen Eckpfeiler für professionelles Beziehungsmanagement. Dies ist eine erfolgreiche Mixtur. Wir bekommen immer wieder positive Rückmeldungen, dass diese Kombination nicht nur auf das Beziehungskonto zwischen Finanzdienstleister und Kunde einzahlt, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Kunden, die wieder Vertrauen in echte Berater fassen, sind infolgedessen auch bereit ein größeres Spektrum an Produkten und Leistungen in Anspruch zu nehmen und das rechnet sich natürlich auch mittel- und langfristig für den Finanzdienstleister. Es lohnt sich also in der Finanzdienstleistung seinen Job aufrichtig auszuüben und die Bedürfnisse seines Kunden ernst zu nehmen. Das ist dann ein echter Win-Win-Effekt.
Sie sprechen häufig von »falschen Glaubenssätzen in der Finanzdienstleistungsbranche«. Können Sie hierfür Beispiele nennen und erläutern, wodurch solche Glaubenssätze überhaupt zustande kommen?
Erdem: Bezogen auf falsche, aber dennoch nicht unübliche, Glaubenssätze in der Finanzdienstleistungsbranche gibt es mehrere Auslöser und prägende Kanäle. Zum einen leben wir in einer Zeit, in der durch diverse Influencer, aber auch Erfolgsmotivatoren und Speaker viel zu oft suggeriert wird, dass es heutzutage wahnsinnig einfach ist, mit scheinbar simplen Mechanismen und Methoden schnell und viel Geld zu verdienen. Teilweise wird sogar vermittelt, dass man regelrecht dumm ist, wenn man für sein Erfolg noch echte Arbeitsleistung erbringen möchte. In der Finanzdienstleistung selber gibt es zahlreiche Powersysteme, die darauf abzielen, die Berater möglichst schnell entsprechende Zielvorgaben realisieren zu lassen. Natürlich wird hier auch nicht an einer Anerkennungs- und Motivierungskultur gespart, die man mit teilweise bekannten Eventveranstaltungen sorgfältig unterfüttert. Ich glaube, dass eine Vielzahl dieser Mechanismen nur sehr kurzfristig greifen, und dass diese besondere Form der systematisierten „Finanzdienstleistungshelden“ ausgedient hat.
Erfolgreich werden zukünftig gerade jene Berater sein, die in ihrer Konzeption langfristig ausgerichtet sind und die auch bereit sind, sich ernsthaft für ihre Kunden zu interessieren und diese ins Zentrum ihres Handelns zu rücken. Der Kunde sollte sich nicht als Bittsteller empfinden müssen. Darüber hinaus denke ich, dass gerade eine solche Vorgehensweise mittel- und langfristig auch den größeren Erfolg mit sich bringt, auch wenn dies bedeutet, dass man für sein Geld tatsächlich noch arbeiten muss.
Sah und sieht sich die Finanzdienstleistungsbranche durch die Einführung neuer Technologien, gerade im Zuge der Digitalisierung, vor Veränderungen gestellt? Inwiefern haben sich mit der Zeit auch die Bedürfnisse und Fragestellungen Ihrer Mandanten verändert und welche Herausforderungen sehen Sie in Zukunft auf die Branche zukommen?
Schwack: Natürlich spielt Digitalisierung auch in der Finanzdienstleistungsbranche eine erhebliche Rolle. Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Vergleichsportale, die es den Kunden ermöglichen, eigenständig die für sie passenden Produkte zu konfigurieren und dabei nahezu vollständig auf Beratung zu verzichten.
Erdem: Und genau aus diesem Grund rückt die Professionalisierung von persönlicher Beratung für viele unserer Mandanten wieder stärker in den Fokus. Denn nur persönliche Beratung ermöglicht auch die kompetente Auseinandersetzung mit tatsächlichen Bedürfnissen, aber auch die Aufklärung über etwaige Risiken. Persönliche Beratung steht für Kunden und Dienstleister als Mehrwert im Raum, wenn sie die bereits erwähnten Kriterien erfüllt. Die Herausforderung der Branche wird also in Zukunft darin bestehen, objektive und rein rational ausgerichtete Kunden wieder in eine stärkere subjektiv als wertvoll empfundene Beziehung zu überführen. Dabei spielt neben physischer Präsenz natürlich auch eine gute Online-Beratung eine immer größere Rolle. Auch das ist ein Aspekt, mit dem wir uns immer intensiver auseinandersetzen, denn viele unserer Kunden entwickeln ihre Vertriebsstruktur hin zu einem Hybrid-Modell, durch welches die Kundenbetreuung auf immer mehr Kanälen ermöglicht wird. Entscheidend ist und wird es aber auch in Zukunft sein, dass Beziehung und echte Betreuung eine zentrale Rolle spielen werden, egal, über welchen Kanal die Interaktion stattfindet.