»Das eigene Energiekonzept ist absolute Pflicht«

»Das eigene Energiekonzept ist absolute Pflicht« Bild: Nils Bastian

Aktuelle Krisen haben aufgezeigt, dass es in der Energiebranche Abhängigkeiten gibt, die zu politischen Problemen, aber auch zu Kostensteigerungen für den Bürger führen. Diese Aspekte machen eine Analyse sinnvoll, inwieweit Verbraucher beim Thema Energie autark sein können und sollten. Energie-Experte Maximilian Arndt rät, ein langfristiges Konzept hierfür zu erstellen, um wirklich einen Mehrwert zu erhalten. In unserem Interview erklärt er, warum das aktuell populäre Balkonkraftwerk nicht ausreicht, um sich unabhängiger zu machen und warum jeder »Boom« einer sorgfältigen Überprüfung bedarf.

Herr Arndt, das vergangene Jahr war aufgrund des Ukraine-Krieges ein wichtiges für Energiefragen. Die Preise für Gas und Strom sind in die Höhe geschossen, Abhängigkeiten sind schmerzlich sichtbar geworden. Es ist nun klarer denn je, dass sowohl Deutschland als auch die Bürger autarker werden müssten. Wie kann das Ihrer Meinung nach gelingen?

Zuerst muss jeder auf sich selbst schauen und sich die Frage stellen, wie er seine Kosten sinnvoll senken kann, ohne dabei auf Lebensstandard verzichten zu müssen. Daher ist das eigene Energiekonzept eine absolute Pflicht. Es ist egal, was außerhalb der eigenen vier Wände passiert, wenn man dabei zusehen kann, wie der eigene Strom autark von der Sonne produziert und über Nacht in einem vernünftigen Speicher eingelagert wird und es sogar dazu eine günstige Quelle an Strom gibt, die wir im Winter hinzuziehen können. Es muss weitestgehend ein tieferes Bewusstsein geschaffen werden, dass jeder kleine Verbrauch eines Einfamilienhauses selbst abgedeckt werden sollte.

Kaum sind zum Beispiel Balkon-Kraftwerke beim Verbraucher angekommen, schon geraten sie in die Kritik und gelten als nicht wirtschaftlich. Was ist Ihre Meinung dazu?

Nun, ein Balkonkraftwerk mit einem Ganzjahres-Energiekonzept zu vergleichen, ist, als würde man mit einer Pipette duschen. Wir geben ein paar tausend Euro aus, aber haben keinen spürbaren Mehrwert daraus. Mein Rat: lieber einmal mit dem Thema vernünftig auseinandersetzen und eine sichere Lösung für die nächsten 30 Jahre haben, als kurzfristig auf eine Trendwelle aufzuspringen und sich dafür bestenfalls in zwei Jahren wieder erneut darum kümmern zu dürfen. Ein Energiekonzept bedarf auch keines Eigenkapitals als Einstieg.

Welche Chancen haben Mieter, sich unabhängiger von Energieversorgern zu machen?

Wer eine Wohnung mietet, kann sich mit seinem Vermieter darüber Gedanken machen, ob er die Erlaubnis bekommt, sich eine Anlage bauen zu dürfen. Eine Alternative ist eine Großanlage, die über ein Mieterstrommodell den gesamten Bedarf des Mehrfamilienhauses deckt.

Sind Maßnahmen wie Energieeffizienzklassen hilfreich? Und was müsste die Politik machen, um noch mehr für das Thema verantwortungsvoller Umgang mit Energie zu sensibilisieren?

Gewisse Energieeffizienzklassen haben schon ihre Daseinsberechtigung. Wer besser baut, hat dadurch weniger Verbrauch. Es müsste grundlegend mehr Aufklärung darüber geben, welche Komponenten in ein Energiekonzept gehören und worauf die Bürger hinsichtlich der Qualität der einzelnen Produkte achten müssen. Außerdem sollte mehr Anregung geschaffen werden, zum Beispiel durch Förderungen, die den Bürger wirklich bei ihrem Projekt unterstützen.

Welche Rolle wird Solarenergie künftig spielen und wie schätzen Sie den deutschen Markt ein?

Wenn es darum geht, den Energiebedarf der Bevölkerung zu decken, wird Solarenergie künftig immer ein Thema sein. Es ist eine sehr nachhaltige Form der Energiegewinnung, mit einer fast unerschöpflichen Quelle als Grundlage, nämlich der Sonne. Außerdem ist bei qualitativ guten Solarmodulen eine Laufzeit von 50 bis 60 Jahren mittlerweile schon möglich.

Der deutsche Markt erlebte gerade im letzten Jahr einen starken Zuwachs an Anbietern auf dem Markt. Es ist klar, dass Schlagzeilen in den Medien wie »Der Solarmarkt boomt!« alle möglichen Fische in den Teich holt, weil hier kurzzeitig viel Geld verdient werden kann. Allerdings bleibt es dann auch beim Thema Kurzzeit. Da muss man schon genau hinschauen. Diese Firmen wollen den Markt abschrubben und innerhalb von zwei bis drei Jahren möglichst viel Geld mitnehmen. Der Kunde steht letzten Endes ohne Ansprechpartner da und muss zusehen, wie er seine Anlage zum Beispiel selbst repariert, also der absolute worst case. Hier wird es in der Branche in den kommenden Jahren noch einiges zu tun geben.

Info: Maximilian Arndt ist Experte für Solarenergie und Vertrieb, ehemaliger Leistungssportler und Unternehmer.

Bild: Nils Bastian

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