Finanzen

Interview: So sieht der Alltag eines Hedgefonds-Managers aus

10 Min.

29.07.2014

Hedgefonds eilt ein zweifelhafter Ruf voraus: Sie werden meist in einem Atemzug mit Leerverkäufern und Spekulanten genannt, die die Kurse gezielt Berg und Talfahren lassen. Sogar eine Mitschuld an der Finanzkrise wird den Fonds nachgesagt. Im Interview erzählt Thomas H. Rudy, Gründer des Hedgefonds Capital R Investments, über seinen Arbeitsalltag, was er mit Jordan Belfort gemeinsam hat und warum er die umstrittenen Leerverkäufe in seinem Job für absolut notwendig hält.

Thomas H. Rudy (33) ist ein Beispiel dafür, dass auch Deutsche durchaus den amerikanischen Traum leben können. Im Jahr 1981 im baden-württembergischen Radolfzell geboren, besitzt Rudy heute ein Millionenunternehmen mit Sitz in New York City und geht an der Wall Street ein und aus. Man trifft ihn fast wöchentlich auf dem Parkett der New York Stock Exchange, in Interviews mit verschiedenen Fernsehsendern analysiert er dann den Markt.

Sein Weg nach New York City führte ihn zunächst an die renommierte Columbia University – eine der acht US-amerikanischen Ivy-League-Universitäten. Nach seinem Schulabschluss an einem Gymnasium in Baden-Württemberg und einem arbeitsaufwändigen Bewerbungsprozess mit anspruchsvollen Tests, schaffte er den Sprung an diese Elite-Uni. “Um bei den niedrigen Aufnahmequoten angenommen zu werden, gehört natürlich auch ein bisschen Glück dazu. Voraussetzung ist ein sehr gutes Abitur und außerschulisches Engagement,” erinnert sich der 33-Jährige. Das Gesamtpaket entscheidet am Ende über die Aufnahme.

Die Finanzwelt ist generell sehr verschwiegen: Über wichtige Details wie etwa das Volumen eines Fonds oder den Kundenstamm eines Hedgefonds wird nicht gesprochen. Eigentlich. Thomas H. Rudy verrät so viel: Einsteigen könne man bei Capital R Investments ab einer Summe von 2,5 Millionen US-Dollar, das sind gut 1,8 Millionen Euro. Bis dahin war es ein langer Weg. Seinen Hedgefonds gründete er im Jahr 2008. “Wie lange ich schon selbstständig bin, erkennt man auch daran, dass ich damals noch wesentlich mehr Haare hatte,” scherzt der zwei Meter große Unternehmer.

Ein Hedgefonds investiert grundsätzlich in verschiedene Finanzinstrumente wie beispielsweise Aktien, Optionen, Anleihen, aber auch private Unternehmen. Ziel ist es, mit kurzfristigen und langfristigen Geschäften eine gute Rendite zu erzielen und das Kapital der Anleger zu vermehren – so wie bei jedem anderen Fonds auch.

Jeder Hedgefonds verfolgt dabei eine bestimmte Strategie. Die von Thomas H. Rudy lautet: Flexibilität. Im Grunde gäbe es bei ihm keine fixe Strategie, er passe sich vielmehr laufend den Gegebenheiten des Marktes an, sagt der Fondsmanager.

Selbst die Finanzkrise konnte Capital R Investments nichts anhaben. Sie habe zwar eine große Rolle für seine Arbeit gespielt, habe jedoch nicht unbedingt negative Auswirkungen gehabt, so Rudy. 2011 hingegen war bislang sein anstrengendstes Jahr: Damals bewegten sich die Märkte fast seitwärts. Am erfolgreichsten war Rudy 2009 und 2013 – was das genau das in Zahlen bedeutet, lässt er offen.

Welche Eigenschaften machen einen Hedgefondsmanager aus?
Thomas H. Rudy: Selbstverständlich muss man sich erst einmal für die Finanzwelt interessieren. Dann sollte man ein relevantes Studium absolvieren und im Finanzbereich Erfahrung sammeln. Man braucht Grundkenntnisse: Wie werden Unternehmen bewertet? Wie werden Research Reports analysiert? Welche Strategien gibt es und welche passt am besten zum momentanen Markt? Es hilft auch, wenn man schon einmal selbst, also privat, ein bisschen mit dem Taschengeld am Aktienmarkt tätig war.
Es gibt keine bessere Art das Handeln zu lernen, als mit dem eigenen Geld. Denn dann überlegt man sich dreimal, ob man auch die richtigen Entscheidungen trifft. Man braucht außerdem eine unternehmerische Ader, denn Risiko und Erfolg liegen in diesem Geschäft sehr eng beieinander. Das muss auch mental verkraftet werden. Wenn das der Fall ist, dann hat man auch viel Spaß an der Sache.
Was reizt Sie besonders an Ihrem Job?

Für mich ist das Fondsmanagement der interessanteste Job der Welt. Jeden Tag passiert irgendwo auf der Welt etwas Neues, das die globalen Finanzmärkte beeinflusst. Ob es nun die Quartalszahlen von Apple, ein Krieg in der Ukraine oder ein Erdbeben an der Westküste ist: Alles spielt eine Rolle. Man sieht die vielen Dimensionen der Märkte. Wir schauen nicht nur den ganzen Tag auf Zahlen, sondern wir müssen immer darauf achten, wie es der Weltwirtschaft geht und wie man aktuelle Ereignisse korrekt einordnet. Mit der Zeit lernt man zu unterscheiden, welche Nachrichten wichtig sind und welche nicht. In einer so vernetzten Welt wie heute ist es natürlich schwer den Überblick zu behalten. Man darf die Geschehnisse in der Welt einfach nicht aus den Augen lassen und man muss immer am Ball bleiben.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?

Der typische Tag geht morgens um sieben Uhr los. Man schaut erstmal darauf, was die Märkte in Europa und Asien in der Nacht gemacht haben. Anschließend liest man die neuesten Nachrichten des Tages. Grundsätzlich besteht ungefähr 70 Prozent meines Arbeitstages aus Lesen, denn je mehr Informationen man hat, desto besser kann man Entscheidungen treffen. Um 9:30 Uhr eröffnen die Märkte in den USA. In der ersten halben Stunde wickelt man unter Umständen ein paar Trades ab. Das können Gewinnmitnahmen sein oder Aktienkäufe. Es geht weiter wie in jedem anderen Geschäft auch: Meetings, Gespräche, Analysen und die Arbeit am Schreibtisch. Um 16 Uhr schließen die Märkte. Danach wird dann ein Fazit gezogen und schon der nächste Tag vorbereitet. Welche Zahlen stehen an? Gibt es ein Meeting der US-Notenbank? Verkündet ein Unternehmen Quartalszahlen? Und vieles mehr. Es bleibt auch noch ein bisschen Zeit sich sozial zu engagieren oder Kontakte zu pflegen. Gegen Abend wird dann wieder viel gelesen. Der Arbeitstag endet zwischen 22 Uhr und 1 Uhr. An Wochenenden hat man etwas mehr Zeit sich mit Private Equity Investments zu beschäftigen, etwa fünf bis zehn Stunden pro Tag.

Sind die weniger strengen Regulierungen – etwa im Vergleich zu Deutschland – ein guter Grund, einen Hedgefonds in den USA zu gründen?

New York bietet hervorragende Voraussetzungen für die Gründung eines Hedgefonds. Es gibt klare Richtlinien und man befindet sich am Puls der Finanzwelt. Das ist gerade in der Gründungsphase wichtig. In Deutschland gibt es deutliche Einschränkungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Deshalb ist dort ein Hedgefond im traditionellen Sinn nicht möglich. Deswegen ist vielen Deutschen das Wort „Hedgefond“ auch kein Begriff. In den USA gehören Hedgefonds ganz selbstverständlich dazu.

In den USA kann man auch Leerverkäufe tätigen. Die Europäer halten das für Teufelszeug. Was sagen Sie?

Wenn man auf steigende Kurse setzen kann, dann sollte man auch auf sinkende Kurse setzen können. Es geht ja nicht immer nur in dieselbe Richtung. Ohne die Möglichkeit von Leerverkäufen kann man sich beispielsweise nicht optimal gegen fallende Kurse schützen oder gegebenenfalls davon profitieren. Handeln ohne Leerverkäufe ist ungefähr so, wie ein Auto zu kaufen, das ein Gaspedal hat, aber keines, mit dem man Bremsen kann.

Können Sie die Kritik an Hedgefonds nachvollziehen? Welches Risiko birgt diese Geldanlage aus Ihrer Sicht wirklich?

Die Medien fokussieren sich natürlich oft auf die „schwarzen Schafe“ der Hedgefond-Industrie. Skandale schaffen es eher auf die Titelseite als Erfolge. Ich kann daher die Kritik der Öffentlichkeit an Hedgefonds absolut nachvollziehen. Jeder, der Fehler macht oder betrügt, sollte auch angemessen bestraft werden. Wenn ein Fond aber vernünftige Investments tätigt und sauber handelt, dann gibt es daran auch nichts auszusetzen. Anleger, die in Hedgefonds investieren, müssen sich im Klaren sein, dass es beim Investment Management erhebliche Risiken gibt. Man kann sehr viel Geld verdienen, aber auch verlieren. Deshalb muss sich jeder Anleger immer genau informieren und überlegen, ob er bereit ist, diese Risiken auch einzugehen.

Wie beurteilen Sie den – ebenfalls häufig kritisierten – Hochfrequenzhandel?

Ich halte nichts von Hochfrequenzhandel. Hierbei handelt es sich um Trades, die in Sekundenbruchteilen durch Computerprogramme absolviert werden. Das hat meiner Meinung nach nichts mehr mit Investieren zu tun. Der Hochfrequenzhandel schadet der gesamten Industrie, denn niemand weiß genau, was wirklich hinter den Kulissen passiert. Wir sehen zum Teil extreme Kursschwankungen, die nichts mit dem Markt zu tun haben, sondern die nur vom Hochfrequenzhandel verursacht werden. Ein menschliches Element muss Teil des Investierens sein. Man muss genug Zeit haben sich Gedanken über Nachrichten und Zahlen machen zu können. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Computer darüber entscheiden, wie viel Unternehmen wert sind.

In wie viele Aktien investiert Captial R Investments im Schnitt? Wird nicht es ab einer bestimmten Anzahl schwierig, den Überblick zu behalten?

Capital R investiert durchschnittlich in zehn bis zwölf Titel zu jedem gegebenen Zeitpunkt. Bei mehr Titeln verliert man tatsächlich schnell den Überblick und Fokus. Es ist auch wichtig immer eine klare Meinung zum Markt zu haben. Wenn man also zu viele Titel kauft, dann bildet man den Gesamtmarkt nach. Die eigene Performance ist dann schwer zu messen, denn sie spiegelt den Markt einfach wieder. Ein guter Fondsmanager findet die richtigen Investments, die sich besser als der Markt entwickeln.

Was sind die wichtigsten Informationsquellen eines Hedgefondsmanagers?

Es gibt viele verschiedene Informationsquellen, die man den ganzen Tag über nutzt. Dazu gehört natürlich ein Research Terminal, wie beispielsweise jenes von Bloomberg. Bei Capital R benutzen wir die Plattform eines anderen Anbieters. Hinzu kommen traditionelle Medien, wie das Wall Street Journal oder das Handelsblatt, sowie verschiedene Webseiten. Man muss natürlich auch unterscheiden können, welche Quellen zuverlässig sind und welche auch mal falsche Nachrichten streuen. Ein anderes Tool sind beispielsweise Excel-Tabellen, mit denen man Zahlen analysiert und Bewertungen erstellt.

Sind Milliardenfonds wie der berühmte LTCM heute noch denkbar? Er brachte in den 90er Jahren das gesamte Finanzsystem ins Wanken.

Milliarden-Fonds sind absolut noch denkbar und es gibt davon recht viele. Gerade im Hinblick auf Inflation und ein positives Marktumfeld in den nächsten Jahren könnte diese Zahl noch steigen. Die Lehren, die man aus spektakulären Pleiten, wie etwa bei Long-Term Capital Management ziehen kann, sind, dass es nicht möglich ist, langfristig immer die gleiche Strategie zu fahren. Irgendwann funktioniert sie nicht mehr. Man muss sich immer wieder an Märkte und Trends anpassen. Flexibilität und die Fähigkeit sich immer wieder neu zu erfinden sind in diesem Geschäft der Schlüssel zum Erfolg. Wenn man zu selbstgefällig ist, hat man schon verloren.

Die Occupy Wall Street-Bewegung äußerte 2011 harsche Kritik an der Finanzwelt. Warum ist danach so still um sie geworden?

Occupy Wall Street war eine Bewegung, die viele gute Ansätze hatte. Es ging um mehr und bessere Arbeitsplätze, Einkommensgerechtigkeit und Transparenz bei den Beziehungen zwischen Banken und der Regierung. Für diese Themen habe ich absolutes Verständnis und es war richtig dafür zu protestieren. Leider war Occupy Wall Street ein „Leaderless Movement“, es gab keinen Anführer. Das ist zwar schön und romantisch, aber leider auch komplett ineffizient. Mit einer passenden Führungsfigur hätte man mehr erreichen können.

Der Film Wolf of Wall Street lief erst kürzlich international in den Kinos und zeichnet einmal mehr das Bild des geldgierigen, exzentrischen Brokers. Vorbild war der Trader Jordan Belfort. Wie viel davon steckt in Ihnen?

An der Wall Street arbeitet man um Geld zu verdienen. Das ist ganz klar. Dafür arbeitet man aber auch hart. Wenn man legal Erfolg hat, dann darf man das anschließend auch genießen. Das war bei Jordan Belfort natürlich nicht der Fall. Aber in diesem Business braucht man Mut und eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, denn sonst kann man Entscheidungen, bei denen viel Geld auf dem Spiel steht, nicht treffen. Vielleicht habe ich das mit Jordan Belfort gemeinsam.

Das Interview führte Bettina Menzel.

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