Kopfnote: Wer sich was traut, hat Mut zur Demut

Bundesliga-Spieler Philipp Lahm | Bild Harald Bischoff wikimedia

Fußnoten liest, wer Zeit hat. Die Kopfnote ist den Moment wert: Executive Coach Dr. Antje Berlin sagt, was Führungskräften gerade wirklich am Herzen liegt.

Bundesliga-Spieler Philipp Lahm | Bild Harald Bischoff wikimedia

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Hut ab, Philipp Lahm. Sie sind wirklich erstaunlich. Während in Deutschland das Bier noch fließt, danken Sie ab. Und zwar, nicht ohne „Danke“ zu sagen. Danke, daß das Glück dieses Mal auf Ihrer Seite war. Vor zwei Jahren in dem Champions League Finale gegen Chelsea war das anders, sagen Sie. Damals lernten Sie eine wichtige Lektion. Daß die Dinge schiefgehen können, auch wenn man alles gibt. „Langsam begann ich zu akzeptieren, daß das Scheitern dazugehört, und entwickelte Demut vor dem, was ich mache,“ erklären Sie Ihren Fans im Zeit-Interview.
Große Worte von einem großen Mann. Da kann sich mancher Manager eine Scheibe abschneiden. In der Welt von mehr, schneller und besser ist Demut oft ein Fremdwort. Denn beinhaltet Demut nicht ein persönliches Versagen? Heißt das nicht, man stößt an die eigenen Grenzen? Wie kommt das rüber in den Chefetagen, nicht so über-toll zu sein, wie man gerne und professionell vorgibt. Nicht alle Antworten parat zu haben. Auch einmal müde, kaputt und am Ende seiner Weisheit zu sein.
Demut ist eine Art Eingeständnis von und Verbeugung vor der eigenen Unvollständigkeit. „Die Tugend, die aus dem Bewußtsein unendlichen Zurückbleibens hinter der erstrebten Vollkommenheit (Gottheit, sittliches Ideal, erhabenes Vorbild) hervorgehen kann“, umschreibt Wikipedia diese zarte, unwahrscheinlich sympathische Führungsqualität, über die sich nur selten ein CEO drübertraut. Weil nämlich eine ordentliche Portion Mut dazu gehört, die eigene Unvollkommenheit nicht nur sich selbst sondern auch anderen einzugestehen. Perfektion ist der Benchmark unserer Leistungsgesellschaft. Das ständige Bedürfnis sich zu verbessern, hat uns immerhin aus der Savanne geführt.
Doch mit dem Einzug in Glas und Chrom haben wir die Sensibilität derer verloren, die noch auf den Regen warten, damit die Samen sprießen. Warten? Dafür ist keine Zeit. Das wird wegkontrolliert. Wer Billionen auf Knopfdruck bewegen kann, ist Boß. Klare Sache, keine Nachfrage nötig. Das macht Demut zum Gegenspieler von Machatschek & Ego. Demut akzeptiert, daß andere Faktoren mit im Spiel sind. Ego regiert allein. Demut öffnet die Tür für ihre Schwester Dankbarkeit. Ego lässt niemand mitfeiern.
Viele Führungskräfte kostet das ewige Polieren ihrer sowieso schon so beeindruckenden Persönlichkeit und Performance mehr als sie sich selbst eingestehen wollen. General Electric Boß Jack Welsh sagte angeblich, er würde alles aufgeben, wenn nur sein Sohn wieder mit ihm sprechen würde. Selbst Mahatma Gandhi war nicht perfekt. Auch er verlor seinen Erstgeborenen auf dem Weg in die Herzen der Massen. Noch auf seinem Sterbebett hoffte er vergeblich auf eine Versöhnung.
Das Streben nach Perfektion hat Opportunitätskosten, die sich oft im Privatleben und in der Gesundheit niederschlagen. Demut lässt uns innehalten, wenn uns die Kräfte ausgehen. Wenn wir alles gegeben haben, zu dem wir imstande sind. Wenn der Aktienpreis trotzdem nicht steigt, obwohl wir nach bestem Wissen und Gewissen vor uns hin malochen. Demut lässt uns Fragen stellen. Zum Beispiel, was ist genug? Wann kann ich aufhören? Welcher Preis ist zu hoch? In dem Bemühen Fragen wie diese zu beantworten, entdecken wir unsere Authentizität. Im Wissen um die Unmöglichkeit von Perfektion verbirgt sich das Menschliche, das Herzen öffnet und nachhaltig Wirkung zeigt.
Demut lässt sich nicht auf dem Sparkonto parken für den Fall der Fälle. Meist präsentiert sich die Gelegenheit dafür unverhofft, oft in Form einer persönlichen Niederlage. Viele verpassen die weiße Perle im schwarzen Feld. Denn das Ego muß meistens ganz schön schlucken. Schuldzuweisung und Opferverhalten gewinnen leicht die Oberhand. Dann hat Demut keine Chance.
Wer nicht warten will, bis das Schicksal ihm eine bittere Pille serviert, kann am eigenen Lack ein bißchen kratzen. Mal schauen, wie es sich anfühlt, im Kleinwagen zum Dienst zu fahren, wenn die Limousine mit dem Stern gerade beim Service ist. Oder absichtlich den Socken mit dem Loch zur Aufsichtsratssitzung zu tragen. Unterwäsche, die farblich nicht zusammen passt, bietet sich auch bestens an die Dinge ein bisschen lockerer zu sehen. Wer es dann noch schafft, über das eigene Unbehagen zu schmunzeln, ist einen großen Schritt weiter. Manchmal führt der Weg zum Weltmeister.

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