Thorsten Wittmann: Sie selbst sind Ihr bester Finanz- und Investitionsberater

Thorsten Wittmann Christian Rudolph

Finanz- und Investmentexperte Thorsten Wittmann im Interview

 

Die Corona-Krise dauert nun schon beinahe zwei Jahre. Wo stehen wir heute wirtschaftlich und gesellschaftlich?

Ich bin durchaus überrascht, dass es insgesamt noch so gut funktioniert. Interessant finde ich, dass seit zwei Jahren von Politik und Medien Angst gemacht wurde und die Dinge nie so eingetroffen sind, wie befürchtet wurde. Dennoch ist das Vertrauen der Menschen in die wissenschaftliche und politische Führung weiterhin gegeben. Die Mittelschicht wurde und wird durch die verhängten Maßnahmen und die geschürte Angst massiv geschädigt. In Zukunft wird es daher wichtig, noch mehr Eigenverantwortung und Flexibilität an den Tag zu legen. Für viele Menschen wird die Zukunft eine riesige Möglichkeit darstellen für persönliches Wachstum. Belohnt werden aber nur diejenigen, die auch etwas für ihren Erfolg aktiv tun. Wer nur auf höhere Instanzen hofft, wird schnell enttäuscht werden.

Wo lauern die größten Gefahren für Sparer und Investoren?

Die größte Gefahr sehe ich in der Enteignung. Davon gibt es mehrere Formen – sichtbarere Arten und weniger offensichtliche Formen. Die Inflation setzt in vielen Bereichen ein und beträgt sogar schon offiziell über 5 Prozent. Das schädigt den Wert der eigenen Ersparnisse enorm und sorgt für Blasenbildungen in anderen Bereichen.

Den wenigsten Menschen ist es bewusst, doch es kam in der Vergangenheit immer wieder zu Währungsreformen, auch in Deutschland. Währungen kommen und gehen. Sie werden vor allem dann ersetzt, nachdem sie ausgehöhlt und entwertet wurden. Der Währungswechsel ist für Halter von Geldwerten natürlich mit enormen Gefahren verbunden. Diese verlieren bei solch einem Wechsel immer Geld. Immer mehr Menschen sehen diese Gefahr und bereiten sich auf das Worst-Case-Szenario vor.

Können Sie eine kleine Schritt-für-Schritt-Anleitung geben, wie man sich selbst einen Überblick über finanzielle Chancen schaffen kann?

Die Beschäftigung mit dem Thema Geld und Investieren – und zwar aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven – ist enorm wichtig, um erfolgreich durch die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu kommen.

Eine ehrliche Bestandsaufnahme ist dabei elementar. Ich rate Menschen also, ihr Vermögen aufzulisten und herauszuarbeiten, wie viel Prozent davon Geldwerte und Sachwerte sind. Herkömmlicherweise ist die Verteilung 80/20. 80 Prozent liegen auf Konten, Bausparverträgen, Kapitallebensversicherungen, etc. Ein relativ geringer Anteil ist in Sachwerten investiert. Die selbst genutzte Immobilie zählt hier aber nicht dazu, weil sie Ausgaben produziert und kein wirkliches Investment darstellt.

Danach sollte man sich klar darüber werden, welche Sachwerte zum eigenen Investitionsprofil passen könnten. Die Möglichkeiten sind dabei sehr vielfältig. Ziel ist es, mit dem eigenen Risikoprofil eine möglichst breite Streuung hinzubekommen. In jedem Fall sollte Substanz dahinter sein.

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Thorsten Wittmann in Rio | Bild: Erica Modesto Photography

Wie sieht Ihr Fünf-Säulen-Modell des Investierens aus?

Es gibt fünf Anlagebereiche, in welche man investieren und über welche man das eigene Vermögen streuen kann.

  1. Geldwerte: Natürlich benötigt man eine gewisse Menge an Liquidität und es ist auch ratsam, verschiedene, stabile Währungen (z. B. Norwegische Krone) zu halten.
  2. Immobilien, die man vermietet.
  3. Unternehmensbeteiligungen (= Aktien, Fonds, ETFs, etc.)
  4. Edelmetalle (Gold, Silber)
  5. Spezialinvestments: Dies können durchaus Investment-Exoten sein: Kryptowährungen, Kunst, Diamanten, Wein, Whiskey, Uhren, etc.

Diese fünf Säulen kann man in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (beispielsweise überall 20 Prozent investieren), aber auch innerhalb der Säulen kann eine Streuung umgesetzt werden. Man muss nicht nur in einen Whiskey investieren, sondern kann mehrere Marken kaufen. Tatsächlich gibt es noch einige andere, teilweise wirklich skurrile Geldanlagen, die sich nicht nur lohnen, sondern auch Spaß machen können. Dazu habe ich ein Video auf meiner Webseite veröffentlicht.

Die Strategie ist die eine Seite, die andere Seite sind die Vertragspartner und Berater, mit denen man die Strategie umsetzt. Es ist eben Arbeit, doch hier geht es um das eigene Vermögen und deshalb macht sich die Arbeit auch bezahlt.

Welche Trends gilt es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu nutzen?

Es kommen große Veränderungen im Geldsystem auf uns zu. Es gibt beispielsweise schon ein paralleles Geldsystem ohne Banken. Gemeint ist der Kryptowährungsbereich. Es ist ein spannender, neuer Bereich, mit dem man sich beschäftigen muss. Es gibt hier viele Chancen, aber natürlich auch Risiken. Wichtig ist, sich mit dem jeweiligen Anlagebereich intensiv auseinanderzusetzen und Schritt für Schritt Erfahrungen zu sammeln.

Auch die Bereiche DeFI, NFts und Metaverse werden den dafür offenen Anlegern, die gesunde und kalkulierbare Risiken eingehen, viele Milliarden bescheren. Entscheidend wird sein, wie sich diese neuen Anlagetools in das eigene Risikoprofil integrieren lassen.

Was ist finanzielle Intelligenz und wie baut man sie auf?

Ich vergleiche finanzielle Intelligenz sehr gerne mit dem Autofahren. Gerade am Beginn ist es alles andere als einfach. Nach zehn bis zwanzig Jahren sitzt man dann aber richtig fest im Sattel. Bei der finanziellen Intelligenz ist es im Grunde genommen nicht anders. Wer finanziell intelligent ist, der weiß, wie er Geldströme produzieren, behalten und vermehren kann.

Finanzielle Intelligenz ist die Fähigkeit, gekonnt mit Geld umzugehen, weil man weiß, wie die Funktionsweise und die Energie von Geld beschaffen sind.

Ein guter Investor wird man in der Praxis und nicht in der Theorie. Nur durch Übung wird es zu einer unbewussten Kompetenz, wie beim Autofahren.

Herzlichen Dank für das Interview.

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