Von Ralf Ohlhausen, Business Development Director, PPRO Group
Über zwei Drittel der deutschen Bevölkerung (70 %) sind sich unklar darüber, was Fintechs eigentlich sind. Gar 92 % haben noch nie von Fintechs gehört. Das ergab vor Kurzem eine Studie des Meinungsforschungsinstituts explorare. Banken hingegen kennt jeder, schließlich haben die meisten Deutschen zumindest ein Girokonto und sind somit Kunde einer Bank. Trotz Online-Banking und Konto-Apps ist es weiterhin wahrscheinlich, dass Verbraucher hin und wieder die Beratungsleistung eines Bankberaters in Anspruch nehmen oder an einer der vielen Bankfilialen in Städten und Gemeinden zumindest vorbeikommen, um Geld abzuheben. Eine Bank muss jedoch nicht zwingend Filialen betreiben – es gibt vielmehr genaue Vorgaben, was eine Bank ausmacht, und nicht jedes Unternehmen darf sich einfach so „Bank“ nennen. Das Kreditwesengesetz spricht in §39 davon, dass Unternehmen, die Banken sein wollen, eine Banklizenz brauchen, also eine Erlaubnis der zuständigen Bankenaufsicht. In Deutschland ist das die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin. Was unterscheidet nun aber genau Banken von Fintechs und E-Geld-Instituten, und wie stehen diese Organisationen zueinander?
Fintech-Unternehmen, oder umgangssprachlich einfach Fintechs, sind in den meisten Fällen keine Banken, denn Banklizenzen sind nur sehr aufwändig zu bekommen. Fintech steht als Abkürzung für „Financial Technology“ und hinter diesem Begriff verbirgt sich erst einmal alles, was mit moderner Technik bei Finanzdienstleistungen passiert. Bei Fintech geht es also zum Beispiel um mobiles Bezahlen von Smartphone zu Smartphone, Girokonten-Apps, rund um die Uhr erreichbare Plattformen, die für Kunden die Geldanlage mit der höchsten Rendite aufspüren und vieles mehr. Fintechs sind oft kleine Startups oder fangen zumindest als kleine, Technologie-getriebene Startups an, die Neuheiten schnell auf den Markt bringen. Angetreten sind viele von ihnen vor ein paar Jahren zwar einmal mit dem Ziel, die Großbanken zu stürzen, heute sieht sich ein großer Teil der Fintech-Branche jedoch eher als Innovationstreiber und damit Partner für Banken. Denn für beide Seiten entstehen wertvolle Synergieeffekte: Banken bringen ihre Banklizenz, den großen Kundenstamm und die Vertrauenswürdigkeit ein, die rund um Geldgeschäfte nötig sind, und Fintechs liefern die moderne Technologie dazu, die die Kunden heute erwarten.
Produkte und Dienstleistungen der Fintechs spiegeln die veränderten und sich weiter entwickelnden Erwartungen der Verbraucher und Unternehmen in einer zunehmend digitalisierten Welt wider – und erfüllen diese sehr oft. Heutzutage erwarten viele Konsumenten zum Beispiel in Echtzeit Rückmeldungen auf ihre Anfragen, einen hohen Grad an Personalisierung, Zusatzservices wie zum Beispiel Bonus-Programme oder Mobile Payment als Bezahloption. Unternehmen hingegen weiten beispielsweise ihre Kundenbasis auf globaler Ebene durch Online-Shops aus und bauen somit auf internationalen E-Commerce. Dazu gehören u. a. die Einbindung länderspezifischer Zahlarten und Bezahlsysteme sowie dazugehörige Prozesse. Solche und andere neue Anforderungen übersteigen meist das traditionelle Kerngeschäft und oft auch das Know-how von Banken. Hier setzen Fintechs komplementär zu Banken mit ihren Lösungen, wie etwa Apps, Analyse-Werkzeuge oder Bedienkonzepte, an. Komplementär deshalb, weil für viele der Lösungen weiterhin Bankkonten als Grundlage vonnöten sind. Und letzteres stellen weiterhin ausschließlich Banken zur Verfügung.
Doch die alleinige Einteilung des Finanzmarkts in Banken auf der einen und Fintechs als reine Techniklieferanten auf der anderen Seite, greift zu kurz. Denn manche Fintechs formieren sich mit dem Ziel, eine Bank zu sein, und sichern sich eine Banklizenz. Mit der eigenen Vollbank-Lizenz sind sie damit rechtlich gesehen eine Bank und dürfen den Zusatz „Bank“ auch offiziell im Namen tragen. Fintechs können folglich auch Bankgeschäfte ausführen. Umgekehrt kümmern sich so gut wie alle etablierten Banken darum, Fintech-Wissen auf- und auszubauen, sei es als eigene Abteilung, durch Unternehmenszukäufe oder über Kooperationen. Die Organisationen eignen sich also jeweils die günstigen, marktdominierenden Merkmale des anderen an. Man kann hier von Evolution statt Revolution sprechen.
Es gibt zudem einen Mittelweg zwischen einer Bank und einem reinen Finanztechnik-Unternehmen. Tatsächlich ist es noch die Ausnahme, dass sich Fintechs wirklich um eine Vollbank-Lizenz bewerben. Beispiele dafür sind N26 und Wirecard. Es gibt aber auch sogenannte Teilbanklizenzen, die nicht das gesamte Finanzdienstleistungs-Spektrum abdecken, sondern nur einen Teil davon, etwa den Handel mit Wertpapieren. Eine für Fintechs sehr interessante Teilbanklizenz, die E-Geld-Lizenz, erlaubt beispielsweise Dienstleistungen rund um elektronisches Geld. E-Geld kann man sich wie digitales Bargeld vorstellen, das auf einem elektronischen Gerät oder räumlich entfernt auf einem Server gespeichert ist. Wer zum Beispiel eine Prepaid-Kreditkarte nutzt, die vorab mit einem bestimmten Betrag aufgeladen wird, setzt E-Geld ein. Unternehmen, die E-Geld-Dienstleistungen anbieten, also eine E-Geld-Lizenz besitzen, werden als E-Geld-Institute bezeichnet. E-Geld-Institute geben E-Geld im Tausch gegen gesetzliche Zahlungsmittel (= Geld) aus. Sie müssen – wie bei Finanzprodukten- und Dienstleistungen üblich – bestimmte Sorgfaltspflichten einhalten. So müssen neue Unternehmenskunden beispielsweise einer Legitimationsprüfung unterzogen werden.
Nein, E-Geld-Institute sind per Definition keine Banken, sondern Zahlungsdienstleister. Rechtlich bindend ist für E-Geld-Institute das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG). E-Geld-Institute dürfen im Vergleich zu Banken zum Beispiel keine Einlagen entgegennehmen. Erhält ein E-Geld-Institut (echtes) Geld, muss dieses unverzüglich in E-Geld umgetauscht werden. Das E-Geld darf auch nicht verzinst werden. Kreditvergabe ist bei E-Geld-Instituten nur in sehr engen Grenzen möglich. Außerdem gelten Scheck- und Wechselverkehr, Transport von Banknoten und Münzen sowie Wertpapiergeschäfte nicht als Zahlungsdienstleistung und sind somit Tabu für Zahlungsdienstleister. Der Vorteil von E-Geld-Instituten für den Verbraucher in der Praxis ist, dass sich viele innovative Zahlungsdienstleistungen sehr schnell und einfach umsetzen lassen, ohne die zuweilen langwierigen Prozesse einer Bank durchlaufen zu müssen. E-Geld-Institute können daher eine gute Ergänzung zur traditionellen Hausbank sein.
Die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft und Lebenswirklichkeit zwingt Banken und Fintechs, stärker aufeinander zuzugehen. Beide Seiten professionalisieren sich und erkennen, dass es ohne die andere Seite nicht geht. Nur ein Zusammenspiel der neuen mit der alten Finanzwelt bietet die Möglichkeit, den veränderten Kundenbedürfnissen kurz-, mittel- und langfristig zu entsprechen und so den eigenen Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern. Dazu muss die Regulierung neu aufgesetzt und die bestehende angepasst werden – was heute schon auf Europaebene geschieht und in den Mitgliedsländern der EU entsprechend umgesetzt wird. So kann eine Zusammenarbeit von Fintechs und etablierten Finanzunternehmen über die europäischen Grenzen hinweg verbessert und zukunftsfähig gemacht werden – auch zum Vorteil der Kunden.
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