Unternehmen

Benjamin Mitsch: Die beste Zeit zum Gründen – strategisch klug durch die Krise

4 Min.

21.07.2022
Benjamin Mitsch
Die Wirtschaft kühlt sich ab. »Kein Grund zum Verzweifeln«, meint Benjamin Mitsch, der derzeit viele Unternehmer dabei unterstützt, sich auf die drohende Wirtschaftskrise vorzubereiten. Wir haben mit dem jungen Unternehmer über die Themen Gründung und strategische Ausrichtung in der Krise gesprochen.
Herr Mitsch, Sie beraten unterschiedliche Unternehmen. Wie sieht es mit der Stimmung der Unternehmer aus?

Die Stimmung ist bei weitem nicht mehr so euphorisch wie noch vor wenigen Monaten. Man merkt, dass sich die Wirtschaftskrise und die Inflation in immer mehr Bereiche »hineinfrisst«. Geschäftsmodelle, die noch vor kurzer Zeit problemlos funktionierten, werden plötzlich in ihren Fundamenten erschüttert. Dennoch ist keine Kapitulation bei den Unternehmern, egal aus welcher Branche, zu spüren. Viel mehr suchen sie mich auf, weil sie lösungsorientiert sind. Und es gibt definitiv Lösungen, man muss sein Denken nur neu ausrichten.

Ist es derzeit eine gute Idee, ein Unternehmen zu gründen?

Das kann man nicht pauschal beantworten. Es hängt sehr viel davon ab, wie profitabel gewirtschaftet werden kann. Derzeit ist es allerdings sicherlich schwieriger, zu planen, beziehungsweise sollte man pessimistischer planen als in Zeiten eines starken Wirtschaftswachstums. Wenn die eigenen Berechnungen, selbst unter den derzeit vorherrschenden Wirtschaftsbedingungen, ergeben, dass nachhaltige Gewinne in Aussicht stehen, dann sollte man nicht zögern, ein Start-up zu gründen. Außerdem muss man schon anmerken, dass es Angestellte in Zukunft ebenfalls nicht leichter haben werden, wenn Unternehmen nicht entsprechende Umsätze und Margen erzielen können. Kündigungen sind daher nur eine Frage der Zeit. Deshalb ist es – vorausgesetzt, es wird an einem funktionierenden Geschäftsmodell gearbeitet – nur ratsam, sich selbständig zu machen.

Was sind denn notwendige Voraussetzungen, damit Start-ups und etablierte Unternehmen in diesen Zeiten funktionieren können?

Die Antworten darauf sind natürlich sehr branchenspezifisch. Dennoch gibt es einige allgemeine Kriterien, die einzuhalten sind. Beispielsweise, dass man als Unternehmer und Investor dafür sorgt, möglichst flexibel aufgestellt zu sein. Das beginnt schon in der eigenen Planung. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es nicht sehr klug ist, sich von einem Lieferanten, selbst wenn der die absolut besten Preise am Markt anbietet, abhängig zu machen. In Zeiten großer Wirtschaftskrisen wird es also immer wichtiger, einen funktionierenden Plan B oder Plan C zu haben. Dies könnte auch das operative Geschäft selbst betreffen. Im produzierenden Gewerbe lohnt es sich, die strategische Ausrichtung genauer und unter Kostengesichtspunkten unter die Lupe zu nehmen. Das bedeutet, dass man die eigene Lagerwirtschaft auf Kosten untersuchen sollte, etc. Als Dienstleister gilt es, möglichst rasch die Preise anzupassen oder das eigene Servicemodell zu überarbeiten. Auf keinen Fall sollte es in irgendeinem Bereich zu einem Abfall der Qualität kommen, denn unzufriedene Kunden sind der größte Schaden schlechthin und verschärfen die Probleme nur.

Was meinen Sie konkret mit dem Überarbeiten von Geschäftsmodellen?

Das Überarbeiten der eigenen Geschäftsmodelle beginnt schon bei der Kalkulation. Nehmen wir den Immobilienbereich als Beispiel. Es ist sehr offensichtlich, dass sich die Grundlagen für solche Investments, vor allem bei Wohnimmobilien, durch das Verlassen der 0-Zinspolitik gerade verändern. Im Grunde wird der gesamte Markt neubewertet werden. Konnte man sich als Immobilieninvestor in der Vergangenheit darauf verlassen, dass der Markt eigene Fehlkalkulationen durch immense Preissteigerungen wieder »ausbügelt«, wird dies in der nächsten Zeit nicht mehr der Fall sein. Nun muss weitaus vorsichtiger kalkuliert werden und auch Worst-Case-Szenarien müssen bei den eigenen Kalkulationen Berücksichtigung finden. A-Lagen und hochqualitative Immobilien werden weiterhin ein spannendes Investment sein, wohingegen nicht so gute Lagen und schlechte Qualität höchstwahrscheinlich an Wert verlieren werden. Die strategische Planung, vor allem wenn sie über Jahre oder Jahrzehnte ausgelegt ist, muss diese fundamentalen Veränderungen berücksichtigen.

Welches sind Ihre Tipps für Unternehmer und solche, die es werden wollen?

Geistig und finanziell flexibel zu bleiben. Dies hilft dabei, auftuende Chancen zu nutzen, egal ob als Investor oder als Unternehmer, denn eines ist sicher – in der Krise tun sich enorme Chancen auf und deshalb muss man sich selbst in die Lage versetzen, diese auch nutzen zu können. Gleichzeitig hilft Diversifikation dabei, das eigene Risiko zu streuen. Als Unternehmer bedeutet dies, sich nicht von einzelnen Anbietern oder Lieferanten abhängig zu machen und bei Investoren heißt das, über verschiedene Assetklassen hinweg zu streuen.

Mein letzter Tipp betrifft die eigenen Kalkulationen: Diese sollten weitaus pessimistischer getätigt werden, um auf den »worst case« vorbereitet zu sein. Wenn ein Geschäftsmodell selbst unter diesen Voraussetzungen noch profitabel ist, dann steht einer erfolgreichen Gründung nichts mehr im Wege.

MJ

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