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Vertrieb ist nichts für Harmoniesüchtige!

Das Angebot ist geschrieben, die Präsentation gehalten, der Taschenrechner zeigt die Summe schwarz auf weiß – eigentlich ist alles gesagt, doch der Kunde zögert. Für viele Verkäufer ist das der Moment, in dem Unsicherheit aufkommt. Doch genau solche Situationen zeigen, worauf es im Vertrieb wirklich ankommt, sagt Michael Silberberger. Im Interview erklärt der Vertriebsexperte, warum Zuhören der vielleicht wichtigste Skill seiner Branche ist – und weshalb sich erfolgreiche Verkäufer nicht auf den Abschluss, sondern auf die Beziehung fokussieren sollten.

5 Min.

26.11.2025
Michael Silberberger

Beitragsbilder: vertrieb.de

Herr Silberberger, mit Verkaufsgesprächen im Finanzbereich verbinden viele vor allem bloße Zahlen und Fakten. Aber was entscheidet wirklich über den Erfolg?

Ganz ehrlich: Wer glaubt, mit Produktwissen Kunden zu gewinnen, der hat das Geschäft nicht verstanden! Natürlich muss man wissen, wovon man spricht, aber das ist nur die Eintrittskarte. Entscheidend ist das Gefühl, das man beim Kunden hinterlässt. Vertraut er Ihnen? Spürt er, dass es Ihnen um ihn geht und nicht um seinen Vertrag?

Die Wahrheit ist: Die meisten Kunden kaufen kein Produkt – sie kaufen Vertrauen. Und das entsteht nicht durch Fachchinesisch oder Powerpoint, sondern durch echtes Interesse, aktives Zuhören und durch die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen. Der Kunde soll am Ende nicht denken: »Das war ein guter Verkäufer.« Er soll fühlen: »Der versteht mich. Dem vertraue ich.« Genau das ist der Unterschied zwischen einem reinen Berater und einem echten Beziehungsmenschen – und dieser Unterschied entscheidet im Finanzvertrieb über Erfolg oder Misserfolg.

 

Welche drei Eigenschaften machen für Sie einen starken Verkäufer im Finanzbereich aus?

Empathie, Disziplin und den Mut, auch mal anecken zu dürfen! Empathie, um den Menschen hinter dem Kunden zu sehen. Es geht nicht darum, was er verdient, sondern darum: Was bewegt ihn? Was hält ihn nachts wach? Wer das versteht, berät auf einer ganz anderen Ebene. Dann ist Disziplin gefragt, denn Erfolg im Vertrieb ist kein Zufall. Es geht darum, dranzubleiben, nachzufassen, zu reflektieren – jeden Tag, auch wenn es keiner sieht. Und drittens braucht es Mut. Den Mut, nicht Everybody’s Darling sein zu wollen!

Ich sehe zu viele Verkäufer, die sich verbiegen, da sie nur nicht anecken wollen und damit austauschbar werden. Die Kunden aber spüren Authentizität. Sie spüren, wenn jemand Klartext redet, ohne zu verletzen. Verkaufen ist kein Beliebtheitswettbewerb, es ist ein Beziehungsgeschäft. Und echte Beziehungen entstehen nicht durch Freundlichkeit, sondern durch Haltung.

 

Gibt es typische Fehler, die Sie im Vertrieb immer wieder beobachten– und was sollte man stattdessen tun?

Verkäufer reden zu viel und hören zu wenig zu. Sie präsentieren Zahlen, listen Vorteile auf, machen Druck. Und merken nicht: Der Kunde hat längst abgeschaltet. Verkaufen funktioniert nicht durch Reden, sondern durch Verstehen. Wer kluge, offene Fragen stellt und wirklich zuhört, baut Vertrauen auf. Kein Small Talk, kein reflexartiges Geplapper, sondern echtes Zuhören mit echtem Interesse. Wissen Sie, was Spitzenverkäufer anders machen? Sie stellen rund 60 Prozent mehr Fragen als der Durchschnitt.

Viele denken: »Ich muss den Kunden überzeugen.« Nein, man muss ihn erkennen. Und das geht nicht mit Technik, sondern mit Haltung. Ein weiterer typischer Fehler: Verkäufer brechen ab, sobald ein Einwand kommt. Ein »Ich bin mir nicht sicher« genügt, und schon wird es hektisch. Dabei ist ein Einwand nichts Schlechtes. Er zeigt, dass der Kunde noch nachdenkt. Er hat noch nicht Nein gesagt. Was es stattdessen braucht: Ruhe, Präsenz und eine klare innere Haltung: »Ich bin nicht hier, um zu verkaufen. Ich bin hier, um zu helfen.« Und genau diese Haltung ist es, die alles verändert.

 

Wenn Kunden zögern, ist das für einen Verkäufer eine herausfordernde Situation. Welche Strategien können das Gespräch dennoch zu einem positiven Abschluss bringen?

Zögern ist kein Nein, sondern ein Signal. Ein Zeichen, dass der Kunde noch nicht ganz bei Ihnen ist, aber auch noch nicht weg. Jetzt nicht nervös werden. Nicht zurückweichen.

Jetzt sind Ruhe, Souveränität und echtes Interesse gefragt. Ich stelle in solchen Momenten gerne eine einfache Frage: »Was fehlt Ihnen noch, um mit einem guten Gefühl Ja sagen zu können?« Dann: Pause. Zuhören. Raum geben. Keine Rechtfertigung. Keine Powerpoint. Einfach da sein. Viele Verkäufer brechen genau an dieser Stelle das Gespräch ab, weil sie die Stille nicht aushalten. Dabei passiert genau in dieser Stille das Entscheidende: Der Kunde denkt nach. Er fühlt. Und wenn er spürt: Sie wollen ihn nicht überreden, sondern begleiten, dann sagt er »Ja«. Nicht, weil Sie ihn gedrängt haben, sondern weil er sich sicher fühlt. Und das ist der wahre Abschluss.

 

Welchen Ratschlag würden Sie Brancheneinsteigern mitgeben, die jetzt im Finanzbereich erfolgreich werden wollen – worauf kommt es an?

Vergessen Sie erst einmal Produkte, Paragrafen und Provisionen! Fangen Sie an, Menschen zu lesen! Viele stürzen sich am Anfang auf Fachwissen, Abschlusstechniken, Tools. Aber all das nützt nichts, wenn man nicht lernt, mit Menschen umzugehen. Der wahre Unterschied zwischen Durchschnitt und Ausnahme liegt nicht im Produkt, sondern in der Persönlichkeit. Mein Rat? Erst an sich arbeiten, dann an der Beratung. Arbeiten Sie an Ihrem Auftritt. An Ihrer Energie. An Ihrer Einstellung. Seien Sie nicht der nächste 08/15-Berater mit Aktenkoffer und Tabellenkalkulation. Seien Sie jemand, an den man sich erinnert! Und vor allem: Verlieben Sie sich nicht in den Abschluss. Verlieben Sie sich in die Beziehung, in das Gespräch, in den Moment, in dem Ihnen jemand zum ersten Mal ehrlich sagt, was ihn wirklich bewegt. Denn wenn Sie diesen Moment erreichen – dann verkauft sich alles andere fast von selbst.

Der Autor:

Der Sales-Experte Michael Silberberger ist Gründer von www.vertrieb.de und hat zudem Marktführer mit einem Gesamtumsatz von über einer Milliarde Euro aufgebaut und über 25.000 Unternehmensgründungen begleitet. Die Möglichkeit, mit Produkten und Dienstleistungen die Märkte zu verändern, ist seine Mission.

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