Getrieben wird der Konjunkturabschwung in Deutschland durch die Rezession in der Industrie, die Normalauslastung wird dort mittlerweile unterschritten, dies belastet inzwischen auch die unternehmensnahen Dienstleistungen. „Der Abwärtssog wird schwächer, im Auslandsgeschäft ist sogar schon eine leichte Aufwärtstendenz erkennbar. Erfahrungsgemäß dauert es aber im Schnitt etwa fünf Quartale, bis die Industrie eine Rezession überwindet und die Kapazitätsauslastung wieder spürbar zulegt. Damit ist frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2020 zu rechnen, erst dann kann es auch gesamtwirtschaftlich wieder deutlich nach oben gehen. Zunächst kriecht die deutsche Wirtschaft aber in das neue Jahr“, sagte Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).
Die Weltwirtschaft dürfte allmählich wieder Tritt fassen, in den Schwellenländern scheinen sich die Erwartungen bereits etwas aufzuhellen. Der Anstieg der Weltproduktion dürfte 3,0 Prozent (2019), 3,1 Prozent (2020) und 3,4 Prozent (2021) betragen. „Dies wäre im laufenden Jahr die geringste Zuwachsrate seit der Großen Rezession im Jahr 2009. Eine noch ungünstigere Konjunkturentwicklung könnte eintreten, wenn sich die Rahmenbedingungen für den internationalen Handel weiter verschlechtern und das Investitionsklima zusätzlich belastet wird, etwa durch eine Verschärfung der Krise bei der WTO“, sagte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr.
Der Abschwung in Deutschland dämpft auch die Unternehmensinvestitionen merklich, sie dürften nach einem Zuwachs von 1,2 Prozent in diesem Jahr 2020 um 1,1 Prozent sinken. Erst 2021 ist im Zuge der wirtschaftlichen Belebung wieder mit einem moderaten Plus von 2,3 Prozent zu rechnen.
Der Industrierezession entgegen wirkt die Binnenwirtschaft, insgesamt dürfte die Wirtschaft deshalb im kommenden Jahr allenfalls geringfügig geringer ausgelastet sein, als es das Normalmaß wäre. Die Bauwirtschaft wird durch extrem günstige Finanzierungsbedingungen unvermindert befeuert. Nach 3,9 Prozent in diesem Jahr dürften die Bauinvestitionen in den nächsten beiden Jahren um jeweils 2,5 Prozent zulegen. Die privaten Haushalte profitieren von zahlreichen Einkommenshilfen seitens der Finanzpolitik und einer insgesamt nach wie vor robusten Arbeitsmarktentwicklung, so dass der private Konsum dieses und nächstes Jahr um 1,5 Prozent und 2021 um 1,7 Prozent steigen dürfte. Die Inflationsrate dürfte bei 1,4 Prozent (2019), 1,5 Prozent (2020) und 1,6 Prozent (2021) liegen.
Dem Arbeitsmarkt kommt zugute, dass in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen immer noch mehr Beschäftigung aufgebaut wird, als in der Industrie wegfällt. Die Arbeitslosenquote dürfte nach 5 Prozent in diesem Jahr bei 4,9 Prozent in den nächsten beiden Jahren verharren. „Insgesamt verlangsamt sich der Beschäftigungsaufbau und die Beschäftigungsrisiken sind gestiegen, auch weil gestiegene Lohnkosten die Anreize für Neueinstellungen senken“, so Kooths.
Nach einem Rekordüberschuss der öffentlichen Haushalte von knapp 62 Mrd. Euro im Jahr 2018 dürfte der Überschuss im Jahr 2019 mit gut 53 Mrd. Euro immer noch deutlich, aber geringer ausfallen. 2020 dürfte der Budgetüberschuss auf 24,3 Mrd. Euro zurückgehen und 2021 schließlich mit -1,7 Mrd. Euro negativ werden. Kooths: „Die Teilabschaffung des Soli mindert die Einnahmen, was durch die Einführung der CO2-Steuer nicht kompensiert werden kann, und die Einführung der Grundrente sowie die Umsetzung des Klimapakets führen zu zusätzlichen Ausgaben.“
Die konjunkturelle Entwicklung in den deutschen Exportmärkten bleibt verhalten, nicht zuletzt weil die bis zuletzt recht robuste US-Konjunktur zunächst noch an Fahrt verliert und auch die Expansion der chinesischen Wirtschaft sich in der Grundtendenz weiter leicht verlangsamt. Die deutschen Exporte ziehen nach einem Plus von 1,2 Prozent (2019) zwar mit 2,4 Prozent (2020) und 2,6 Prozent (2021) nur moderat an, finden aber wieder Anschluss an den Welthandel.
„Trotz der aktuellen Schwäche braucht die deutsche Wirtschaft kein Konjunkturprogramm. Die Industrierezession hat ihre Ursachen maßgeblich im Ausland und betrifft Produktionsbereiche, die auf staatliche Nachfrageprogramme kaum reagieren würden“, sagte Kooths.
„Mittelfristig spricht indes viel dafür, investive Ausgaben im Staatshaushalt stärker zu priorisieren. Die Schuldenbremse steht dem nicht entgegen, sondern sie zwingt, sich über Prioritäten klarzuwerden. Wenn Infrastruktur, Schulen etc. hohe Priorität haben, müssen andere Bereiche zwingend weniger wichtig sein. Neue Schulden finanzieren dann nicht die Positionen oben auf der Prioritätenliste, sondern das, was unten wegfiele. Im schlimmsten Fall würden dann notwendige, aber unpopuläre Reformen nur durch neue Haushaltsdefizite hinausgezögert.“
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