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Digitalisierung im Gesundheitswesen als Chance

5 Min.

01.11.2023
Digitalisierung im Gesundheitswesen als Chance
Hinter den Kulissen von Arztpraxen und anderen Medizinversorgern versteckt sich ein komplexes Bürokratiegerüst, das viel Zeit kostet – Zeit, die für die Patienten sinnvoller genutzt werden könnte und Mitarbeiter entlasten würde. Hier kann die Digitalisierung die unterschiedlichen Abläufe entzerren und zudem Zeit und Geld sparen. An welchen Stellen Entscheider ansetzen können, weiß Sabine Finkmann. In unserem Interview erklärt die Praxisberaterin, wie moderne Einrichtungen zukunftsfähig gemacht werden können, um die eigentlichen Aufgaben erfüllen zu können: den Patienten helfen.
Frau Finkmann, das Gesundheitswesen ist sehr komplex mit seinen Abrechnungsverfahren und der Gebührenordnung. Inwieweit verschafft die Digitalisierung hier Erleichterung?

Die Digitalisierung hat das Potenzial, das Gesundheitswesen erheblich zu transformieren und sowohl für medizinische Fachkräfte als auch für Patienten Erleichterungen zu schaffen, zum Beispiel durch elektronische Patientenakten (EPA) und digitale Abrechnungssysteme, die den Papieraufwand reduzieren. Der Einsatz von Telemedizin und Videosprechstunden, von elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und elektronischen Rezepten sowie das Notfalldatenmanagement können ebenfalls helfen.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat zweifellos das Potenzial, die Effizienz zu steigern, die Kosten zu senken und die Patientenversorgung zu verbessern. Dennoch sollten Datenschutz und Sicherheit stets Priorität haben, um sensible Gesundheitsdaten zu schützen und das Vertrauen der Patienten zu gewinnen.

Wieviel Spielraum haben medizinische Versorger, den bürokratischen Aufwand intern zu reduzieren?

Es gibt einige Maßnahmen, mit denen medizinische Versorger den bürokratischen Aufwand intern reduzieren und sich stärker auf die Patientenversorgung konzentrieren können. Je nach den spezifischen Anforderungen und Herausforderungen einer medizinischen Einrichtung können verschiedene Kombinationen sinnvoll sein.

Beispielsweise kann man mit der die Implementierung der elektronischen Patientenakte, der Automatisierung von Terminplanung und -erinnerung, der Nutzung des KIM-Dienstes zum Onlineversand von Dokumentationen und Befunden das Berichtswesen deutlich beschleunigen.

Inwieweit müssten Gesetzgeber und Versicherungen die Vorgaben Ihrer Meinung nach reformieren? Immerhin hängen Kosten, Zeit und Personal dran.

Die Reform von Vorgaben im Gesundheitswesen ist zweifellos ein komplexes und sensibles Thema, das erhebliche Auswirkungen auf die Versorgung von Patienten und die Arbeitsbedingungen von medizinischem Personal hat. Dennoch gibt es Bereiche, in denen Gesetzgeber und Versicherungen Maßnahmen ergreifen können, um Kosten, Zeit und Personalaufwand zu reduzieren, ohne die Qualität der Versorgung zu gefährden.

Gesetzgeber könnten Initiativen zur Vereinfachung der Abrechnung und Reduzierung der administrativen Bürokratie und der Dokumentation unterstützen. Die Förderung von Telemedizin und die Schaffung von klaren rechtlichen Rahmenbedingungen für die Fernbehandlung erhöhen die Verfügbarkeit von medizinischer Versorgung und reduzieren zudem den zeitlichen Aufwand für Patienten und medizinischem Personal.

Nehmen wir zum Beispiel einen Zahnarzt: Wieviel Zeit des Tages muss er durchschnittlich für Abrechnungen, Dokumentation und ähnlichem aufwenden?

Der Zeitaufwand, den ein Zahnarzt täglich für Abrechnungen, Dokumentation und verwaltungstechnische Aufgaben aufwendet, kann je nach individuellen Praktiken und Arbeitsumgebungen variieren. Im Durchschnitt kann man jedoch feststellen, dass ein Zahnarzt beträchtliche Zeit zum Beispiel für die Abrechnung der ärztlichen Leistungen, für die ärztliche Dokumentation und das sorgfältige Führen von Patientenakten, Verwaltungsaufgaben, Hygiene oder Qualitätsmanagement aufwenden muss.

Auch die Mitarbeiterinnen haben mehr zu tun als nur Termine einzutragen. Wie wirkt sich das auf den Betriebsablauf und die Patienten aus?

Die Mitarbeiterinnen in einer Arzt- oder Zahnarztpraxis spielen eine entscheidende Rolle, die weit über die reine Anmeldung und Terminverwaltung hinausgeht. Ihre Aufgaben erstrecken sich auf die gesamte Praxisverwaltung und haben einen erheblichen Einfluss auf den Betriebsablauf und die Qualität der Patientenversorgung. Zum einen im positiven, zum Beispiel durch gut organisierte Praxisabläufe, eine exzellente Terminplanung um Wartezeiten zu vermeiden; aber zum Beispiel auch im Rahmen von Hygiene und Sicherheit, um die Einhaltung der Standards in der Praxis zu gewährleisten. Dies ist entscheidend, um die Gesundheit der Patienten zu schützen.

Aber auch im negativen: Dadurch, dass das Praxispersonal stark mit administrativen Aufgaben beschäftigt ist, kann dies zu einer Verringerung der Aufmerksamkeit und des Fokus auf die Bedürfnisse der Patienten führen, darüber hinaus kann es aufgrund von Verwaltungsanforderungen dazu führen, dass Praxen weniger flexibel bei der Terminvergabe sind. Das kann für Patienten problematisch sein, die auf kurzfristige Terminänderungen oder Dringlichkeiten angewiesen sind.

Es ist wichtig zu betonen, dass ein angemessener Ausgleich zwischen administrativem Aufwand und Patientenversorgung entscheidend ist. Eine effiziente Verwaltung und gegebenenfalls die Nutzung von digitalen Lösungen können dazu beitragen, die negativen Auswirkungen zu minimieren und sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Patienten nicht vernachlässigt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Arbeit der Mitarbeiterinnen in einer Arztpraxis einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtversorgung und die Erfahrung der Patienten hat. Effiziente Verwaltung, klare Kommunikation und eine sorgfältige Koordination sind Schlüsselelemente, die dazu beitragen, dass die Patienten eine qualitativ hochwertige Versorgung erhalten und sich gut betreut fühlen.

MK (L)

Unsere Gesprächspartnerin: Sabine Finkmann ist Betriebswirtin im Management, Wirtschaftsmediatorinund seit 2012 ist sie selbstständig im Bereich Praxisberatung und -analyse, Abrechnungs- und Honorarberatung sowie Compliance.
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