Die meisten haben lange darauf hingearbeitet. Sie freuen sich auf die neue Aufgabe und haben jede Menge gute Vorsätze im Gepäck. Wer vom Kollegen zum Vorgesetzten wird, kennt die Probleme auf der anderen Schreibtischseite. Er weiß, wie die Mitarbeiter ticken. Und will in der Regel manches besser machen als der Vorgänger oder die Vorgängerin.
Womit neue Führungskräfte oft nicht rechnen: In seiner neuen Rolle wird der ehemalige Kollege meist noch kritischer beäugt als einer, der von außen kommt. Nicht zuletzt, weil sich der ein oder andere Mitspieler im Wettbewerb um die Führungsposition selbst gute Chancen ausgerechnet hatte.
Wer auf der Karriereleiter einen großen Schritt nach oben macht, muss die Kollegen ein Stück hinter sich lassen. Das ist nur logisch, aber in den seltensten Fällen unproblematisch. Denn wenn ihm die ehemaligen Kollegen aus Frust die Unterstützung verwehren, sieht es für den Neuchef düster aus. Dann wird die vermeintliche, neue Macht schnell zur Ohnmacht. Und die Freude über eine Beförderung währt nicht lange, weil dem frisch gebackenen Chef schon in den ersten Tagen ordentlich Wind entgegenbläst.
Und dann sind da noch die Erwartungen der eigenen Vorgesetzten, die es zu erfüllen gilt. Als neuer Chef sitzen Sie zwischen den Stühlen: Einerseits müssen Sie sich und vor allem dem Team Zeit geben, sich in den neuen Rollen zurechtzufinden, andererseits erwartet das Management rasche Erfolgsmeldungen.
Wer ehrlich bereit ist, in eine anstrengende Führungsrolle zu schlüpfen, sollte sich fragen, ob er die notwendigen Skills mitbringt oder an seiner Qualifikation und Führungskompetenz noch arbeiten muss. Arbeitsrechtliches Wissen, Kenntnisse im Treffen von Zielvereinbarungen oder in der Beurteilung von Mitarbeiterleistungen sind das eine. Führungsqualitäten wie Kommunizieren, Entscheiden und Delegieren das andere. Führungskräfte müssen mit unterschiedlichen Mitarbeitermentalitäten souverän umgehen können, sie müssen glaubwürdige Vorbilder sein, sie müssen klare Ziele vorgeben und klare Entscheidungen treffen. Und sie müssen ihrem Team mit Wertschätzung begegnen, um es dauerhaft zu motivieren.
Folgen Sie einem erfolgreichen Kollegen nach oder hatte der vorherige Chef mit großen Problemen zu kämpfen? All das gilt es auf dem Weg zum Ziel zu berücksichtigen. Und last but not least: Sind Sie bereit sich den Herausforderungen zu stellen? Auf Freizeit zu verzichten? Können und wollen Sie ehemalige Kollegen beurteilen? Halten Sie es aus, wenn es auf den Karrierestufen nach oben um Sie herum einsamer wird?
Auch wenn Führungskräfte aus den eigenen Reihen über immenses Insiderwissen verfügen und Stärken, Schwächen und Befindlichkeiten im Team schon ganz gut kennen, sollten neue Chefs die ersten Tage nutzen, um Mitarbeitergespräche unter vier Augen zu führen. Dabei sollten sie weniger über eigene Ideen und Vorsätze sprechen, sondern Fragen stellen, intensiv zuhören, Erwartungen der Mitarbeiter aufnehmen und auch etwaige Botschaften zwischen den Zeilen heraushören. Wichtig ist es, den neuen Mitarbeitern, die einmal Kollegen waren, zu vermitteln: Ich habe eine neue Position und klare Ziele, aber ich begegne dir als Mitarbeiter nach wie vor mit Respekt und Wertschätzung. Und wenn du gefördert werden willst, dann versuche ich dich nach deinen individuellen Potenzialen zu fördern.
Das Gute an jedem Neuanfang ist, dass wir es in der Hand haben, neue Standards zu setzen und neue Rituale festzulegen. Ein Jour fixe kann so ein neues Ritual sein, bei dem wöchentlich der Status von Projekten vor dem gesamten Team erläutert wird, aber auch über Themen gesprochen werden kann, die das gesamte Team betreffen. Ebenso kann eine neue Streitkultur eingeführt werden, in der Konflikte ernstgenommen und Probleme nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden. Experten halten es zudem für einen wichtigen Schlüssel zum Erfolg, transparent zu agieren und das Team frühzeitig in Veränderungsprozesse einzubeziehen.
Unbedingt vermeiden sollte man es, einsame Entscheidungen zu treffen, die vom Team nicht nachvollzogen werden können. Ebenso falsch ist es aber, so die Sicht der Experten, scheinbar demokratische Mehrheitsmeinungen zu verfolgen, ohne eine klare Position zu beziehen.
Noch ein wichtiger Tipp zum Schluss: Ob im Vorfeld, regelmäßig oder in Konfliktsituationen – ein erfahrener Coach hilft Aufsteigern dabei, in die neue Chefrolle hineinzuwachsen.
Bild sjenner13 depositphotos