Mehr Vielfalt im Management verbessert das Finanzergebnis, so eine aktuelle Studie des Credit Suisse Research Institute. Zudem wurde untersucht, welche Regionen und Sektoren eine höhere Vielfalt aufweisen und wo die Hindernisse für die Partizipation von Frauen liegen.
Ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen sollte nicht als «Nice to have» oder pflichtgemässe Erfüllung von Quoten betrachtet werden. Mehr Frauen im Senior Management führen zu einer Verbesserung des Finanzergebnisses und zu höheren Aktienmarktrenditen, so die Studie «The CS Gender 3000: Women in Senior Management» des Credit Suisse Research Institute. «Die Studie, die ergänzend zu einer Studie aus dem Jahr 2012 durchgeführt wurde, liefert eindrucksvolle Belege: höhere Eigenkapitalrendite, höheres Kurs-Buchwert-Verhältnis und höhere Pay-out Ratio», so Stefano Natella, Leiter Global Equity Research in der Division Investment Banking der Credit Suisse. «Ausserdem haben wir herausgefunden, dass eine grössere Vielfalt sowie ein höherer Anteil von weiblichen CEOs in der Regel einen höheren Fremdfinanzierungsgrad bedeuten, was in deutlichem Gegensatz zu der allgemeinen Auffassung steht, Frauen seien in Finanzangelegenheiten konservativer», so Natella.
«Gender 3000» Die Studie basiert auf der Datenbank «Credit Suisse Gender 3000», welche die Managementstrukturen von über 3000 Unternehmen weltweit abbildet. Erfasst wurden über 28’000 Führungskräfte, davon knapp 3700 Frauen. Die Studie zeigt, dass grosse Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 10 Milliarden US-Dollar und mit mindestens einer Frau im Verwaltungsrat von Anfang 2012 bis Juni 2014 eine Outperformance von 5 Prozent (sektorneutral) erzielten. Bezieht man die Jahre ab 2005 mit ein, um der Marktvolatilität während der Finanzkrise Rechnung zu tragen, ergibt sich eine Überrendite von insgesamt 3,3 Prozent. Berücksichtigt man Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von unter 10 Milliarden Dollar, ist die Outperformance bei einer jährlichen Rendite von rund 2,5 Prozent weniger ausgeprägt. Auch die Eigenkapitalrendite (RoE) von Unternehmen, in denen Frauen im Verwaltungsrat vertreten sind, ist höher als bei anderen Unternehmen. Die resultierenden höheren Renditen widerspiegeln sich in den Bewertungen der Unternehmen: Es ergeben sich höhere Kurs-Buchwert-Verhältnisse. Ein höheres Kurs-Buchwert-Verhältnis impliziert, dass Anleger eine höhere Wertschöpfung aus vorhandenem Vermögen erwarten. Zudem ist der als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttete Gewinnanteil (die Pay-out-Ratio) in Unternehmen, in denen der Anteil von Frauen im Top-Management über 10 Prozent beträgt, höher als in Unternehmen mit weniger Frauen in Top-Positionen. Weibliche CEOs führen zudem weniger Übernahmen durch und veräussern mehr Geschäftsbereiche als männliche CEOs.
Regionale statt sektorbezogene Unterschiede Die Fakten sprechen für sich – und die gute Nachricht ist, dass in fast jedem Land und Sektor die Gender Diversity im Verwaltungsrat langsam zunimmt. So entfielen Ende 2013 12,7 Prozent der Verwaltungsratsposten in den untersuchten Unternehmen auf Frauen; 2010 waren es noch 9,6 Prozent. Regional sind die Unterschiede grösser als zwischen den Sektoren. Nordamerika und Europa verzeichnen den höchsten Frauenanteil im Senior Management, gefolgt von Asien. In Lateinamerika sind am wenigsten Frauen in entsprechenden Positionen vertreten. Auf Sektorebene sind in Medien- und Immobilienunternehmen jeweils über 20 Prozent der Top-Positionen in weiblicher Hand, während in Automobil-, Investitionsgüter- und Hardwareunternehmen der Frauenanteil am geringsten ausfällt. Interessant ist auch die positive Korrelation zwischen Marktkapitalisierung und dem Frauenanteil an der Spitze. Da Kunden und Management von Unternehmen immer globaler werden, kann die Sektorentwicklung zu einem kulturellen Wandel führen. Die Studie legt nahe, dass die Entwicklung neuer, weniger konservativer Sektoren diesen Prozess noch beschleunigen wird. Aber was kann und sollte getan werden, um Verbesserungen voranzutreiben?
Einführung von Quoten? Quoten sind laut dem Bericht nicht der richtige Weg. In Norwegen wurde 2006 ein Gesetz eingeführt, das eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent in allen Verwaltungsräten von börsenkotierten Unternehmen vorschreibt. Die am stärksten von diesem Gesetz betroffenen Unternehmen haben einen Rückgang ihres Firmenwerts (gemessen als Gesamtmarktwert im Verhältnis zum Gesamtvermögen) um mehr als 12 Prozent bei jeder Erhöhung des Frauenanteils im Verwaltungsrat um 10 Prozent verzeichnet. «Der Markt dachte anscheinend, dass die Unternehmen bei der qualifizierten Besetzung von Managementpositionen eingeschränkt seien», so Natella. «Wir haben die Sorge, dass sich die Regierungen auf den Fortschritten ausruhen, anstatt diese Initiativen als ersten Schritt zu sehen und weitere Massnahmen in Gang zu setzen. Darüber hinaus glauben von Männern geführte Teams, die ihre Quoten erfüllen, möglicherweise, dass damit alle Geschlechterprobleme gelöst sind, und ignorieren die weit grösseren Problemen, die sie mit Blick auf die Unterrepräsentation von Frauen in ihrer gesamten Managementstruktur haben.» Laut der Studie sollten stattdessen Schulungen für potenzielle weibliche Verwaltungsratsmitglieder gesetzlich vorgeschrieben werden und alle börsenkotierten Unternehmen ihre Gender-bezogenen Daten und Weisungen offenlegen.
Hindernisse Der Erhöhung des Frauenanteils stehen vier Arten von Hindernissen im Weg: branchenbezogene, kulturelle, arbeitsplatzbezogene und strukturelle/politische Hindernisse. Die Überwindung der branchenbezogenen und kulturellen Hindernisse erscheint am schwierigsten. Obgleich Frauen Männern an Universitäten zahlenmässig überlegen sind, stagniert der Anteil der Frauen in Senior-Management-Positionen im weltweiten Durchschnitt. Ein Grund dafür ist, dass nur wenige Frauen MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) studieren, und diejenigen, die ein MINT-Fach absolviert haben, nach ihrem Studium oft in andere Branchen wechseln, was zu einer chronischen Unterrepräsentation von Frauen in Sektoren wie Bergbau, Öl und Gas sowie Maschinenbau führt. Auch kulturelle Hindernisse wie Klischeedenken und die Auffassung, dass sich Frauen beruflich weniger engagieren, spielen eine Rolle, während arbeitsplatzbezogene Hindernisse wie das Lohngefälle und Beförderungspraktiken einfacher zu überwinden sind. Auch strukturelle Hindernisse können relativ einfach durch gezielte staatliche oder Unternehmensmassnahmen überwunden werden. In Skandinavien beispielsweise gewährleisten Vaterschaftsurlaub und erschwingliche Kinderbetreuung, dass Frauen nach der Geburt einfacher wieder in den Beruf zurückkehren können.
Quelle: Dorothee Enskog, Journalistin für Credit Suisse