Finanzen

Finanzexperte: So reagieren aufgeklärte Anleger auf die Inflation

5 Min.

14.07.2022
Ralf Niehoff
»Eine große Sauerei« betitelt Finanzwirt und geschäftsführender Gesellschafter der SOLON-Unternehmensgruppe Ralf Niehoff die aktuelle europäische Finanzpolitik. Warum er dieser Meinung ist, welchen Einfluss Panikkäufe und Krieg auf die weiteren Entwicklungen haben und welche Entscheidungen besonnene Anleger jetzt treffen sollten, hat er uns im Interview verraten.
Herr Niehoff, die Inflation ist hoch, die Zinsen niedrig. Was bedeutet das generell für Anleger?

Nun, bei herkömmlichen Zinsprodukten, wie Sparbüchern, Tages- oder Festgeld, aber auch bei Bausparverträgen und festverzinslichen Wertpapieren hat der deutsche Sparer bei diesem niedrigen Zinsniveau dennoch einen Kaufkraftverlust. Wenn Sie erlauben, an dieser Stelle etwas politisch zu werden: Das, was hier gerade passiert, ist eine große Sauerei. Die europäische Zentralbank druckt seit über einem Jahrzehnt Geld ohne Ende. Denn Finanzkrise, dadurch die Situation Griechenlands, die Flüchtlingssituation und Pandemie, das alles muss bezahlt werden. Und wenn die volkswirtschaftliche Leistung das nicht hergibt, dann druckt man eben Geld und stellt es den Banken zum Null-Tarif zur Verfügung. All das passiert, ohne dass man sich Gedanken darüber macht, dass diese Geldschwemme irgendwann zu einer hohen Inflation führen muss. Denn wenn die Geldmenge immer weiter erhöht, ohne dass die volkswirtschaftliche Leistung dem folgen kann, dann muss sich mehr Geld weniger Ware teilen. Um zu wissen, was das für den Euro bedeutet, müssen Sie kein Wirtschaftsökonom sein.

Und ich zitiere die EZB-Chefin, Christine Lagarde, die, als die Inflation so richtig ansprang, sagte: »Wir lassen die Inflation jetzt erstmal laufen.« Das bedeutet, die EZB hat bewusst in Kauf genommen, dass sich der Euro mehr als durchschnittlich gewollt entwertet. Nun, Schulden haben den Vorteil, dass sie bei einer hohen Inflation auch weniger wert werden, genauso wie die Guthaben der Sparer. Wer hat denn die meisten Schulden in der EU? Richtig, die EU. Die derzeitige Inflation ist hausgemacht und führt dazu, dass es den EU-Ländern auf diesem Wege möglich ist, sich zu entschulden. Dass der Sparer dabei sein Geld verliert, wird billigend in Kauf genommen. Jetzt räumt Lagarde Fehler bei der Bewertung der Inflation ein. So zu lesen am 30. Juni 2022 im »Handelsblatt«. Aus meiner Sicht wusste die EZB sehr genau, was sie tut und warum sie es tut.

Es war immer wichtig und ist deshalb jetzt umso wichtiger, inflationsgeschützt zu investieren, also genau in die Dinge zu investieren, die allein schon durch die Inflation teurer werden. Echter Gewinn entsteht dann, wenn diese Anlagen auch noch eine Wertsteigerung erfahren. Geeignet sind hier Immobilien und selbstverständlich Aktien bzw. Aktienfonds. Gerade bei Aktien handelt es sich um Unternehmensanteile und Unternehmen werden immer Geld verdienen, sofern sie relevant sind. Der Anleger ist also in Sachwertanlagen mittel- bis langfristig immer sicherer aufgestellt.

Wie stellen sich mittlere Vermögen derzeit auf? Gibt es Panikkäufe?

In Zeiten wir diesen beobachten wir eher Panikverkäufe, was selbstverständlich absolut falsch ist. Aber so sind Menschen: Jede Krise wirkt wie die Schlimmste aller Zeiten, wenn wir mittendrin sind. In jeder Krise denken die nicht so aufgeklärten Anleger: »Die Kurse fallen und bevor all mein Geld weg ist, verkaufe ich lieber. Das treibt die Kurse dann noch weiter nach unten. Das passiert genau so lange, bis die Mehrheit der Anleger denkt, dass es jetzt nicht mehr viel weiter fallen kann, und dann beginnen die aufgeklärten Anleger zu kaufen und sind die Gewinner der Krise. Die nicht so aufgeklärten Anleger sind einmal mehr die Verlierer und fühlen sich dann bestätigt, dass Aktien nicht funktionieren. Dabei ist das alles eine Frage einer qualifizierten Anlageberatung und der Geduld. Emotionen waren an der Börse noch niemals ein guter Ratgeber.

Mittlere Vermögen sollten momentan eher in Value-Werte, also die großen, sogenannten »Blue Chips« investiert sein. Große Unternehmen sind nicht so sehr von Krediten abhängig wie die kleinen Firmen und bei steigenden Zinsen – und diese haben bzw. bekommen wir jetzt – wird es für kleinere und mittlere Unternehmen teurer, sich zu finanzieren, was deren Gewinne und damit die Kurse belasten wird.

Welchen Einfluss haben zusätzliche Faktoren wie Krieg auf die Anlegerentscheidungen?

Ich denke, dass der Krieg in der Ukraine eher einen indirekten Einfluss auf die Anleger hat. Das bedeutet, die Gründe, warum Anleger den Markt verlassen, sind eher die, dass sie befürchten, dass durch Engpässe in der Energieversorgung Unternehmen in Schwierigkeiten geraten und ihre Produktionskapazitäten drosseln könnten. Das erleben wir teilweise bereits, weil die Materialversorgung stockt. Die Angst davor treibt Anleger dazu auszusteigen, nicht der Krieg direkt. Gerade in schwierigen Zeiten haben die Deutschen schon immer noch mehr Geld zur Seite gelegt, als wenn alles gut läuft. In Zeiten der Unsicherheit wird Geld beiseite gepackt, aber momentan liegt es dann eher in Cash und die Inflation sorgt dafür, dass es schleichend vernichtet wird.

Kommen die Kunden generell besser informiert in den Termin?
Also sie kommen wesentlich besser aus dem Termin als in den Termin (schmunzelt). Unser oberstes Ziel in unseren Beratungen ist es immer, durch unsere Beratung den Mandanten in die Lage zu versetzen, dass er sich hinterher selbst erklären kann, warum er wie und wo investieren sollte. Er erkennt die logischen Zusammenhänge der Wirtschaft wesentlich klarer, verliert die Angst vor Aktien und erkennt, dass es zu Aktieninvestmentfonds oder auch ETFs derzeit keine Alternative gibt, wenn er sein Geld vor der Inflation schützen will.
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