Finanzen

Macht Geld glücklich?

10 Min.

18.03.2020

Am Thema „Geld“ scheiden sich die Geister. „Geld macht nicht glücklich“ oder „Geld verdirbt den Charakter“ – solche und ähnliche Sprichwörter kennt jeder. Dichter, Sänger und Philosophen haben immer wieder Aphorismen geprägt, die den Wert des Geldes relativieren und das Streben nach Reichtum verurteilen. „Genug zu haben ist Glück, mehr als genug zu haben ist unheilvoll. Das gilt von allen Dingen, aber besonders vom Geld“, sagte der chinesische Philosoph Lao-tse. Der Sänger Bob Dylan fragte: „Was bedeutet Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.“ Und Albert Einstein meinte: „Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch.“
Schon bei den antiken Philosophen fanden sich häufig kritische Äußerungen über den Reichtum. Platon fragte in seiner Politeia: „Steht es mit dem Unterschied von Reichtum und Tugend nicht so, dass die gleichsam auf die Schalen einer Waage gelegt sind, von denen die eine steigt, während die andere sinkt?“

Auf der anderen Seite gab es immer auch Dichter und Philosophen, die das ganz anders sahen. „Ein gesunder Mensch ohne Geld ist halb krank“ – dieser Satz stammt von Johann Wolfgang von Goethe. Und der niederländische Philosoph Benedictus de Spinoza brachte seine Skepsis gegenüber den Menschen zum Ausdruck, die allzu einseitig vom Missbrauch des Geldes und den Lastern der Reichen sprechen: „Der Arme, der gern reich sein möchte, redet unaufhörlich vom Missbrauch des Geldes und den Lastern der Reichen, wodurch er aber nichts anderes erzielt, als dass er sich ärgert und anderen zeigt, wie er nicht bloß über seine eigene Armut, sondern auch über der anderen Reichtum Unmut hegt.“

Statue von Benedictus Spinoza in Amsterdam, Niederlande
Die deutsche Dichterin Gertrude Stein meinte: „Ich war reich und ich war arm. Es ist besser, reich zu sein.“ Und der Schriftsteller Oscar Wilde, der es stets liebte, durch übertriebene Aussagen Widerspruch zu provozieren und Wahrheiten ans Tageslicht zu bringen, schrieb: „Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt.“
Macht Geld unglücklich, oder macht eher der Mangel an Geld unglücklich? Bei jeder Ehescheidung spielt der Streit um das Geld eine zentrale Rolle, aber Wissenschaftler fanden heraus, dass Geld auch ein Hauptstreitpunkt in Beziehungen ist.
Lauren Papp von der University of Wisconsin ließ 100 Paare mit Kindern über zwei Wochen hinweg ein Tagebuch führen. Darin sollten Männer und Frauen getrennt voneinander notieren, welche Streitthemen im Laufe eines Tages auftauchten, wie lange die jeweilige Auseinandersetzung dauerte und woran sie sich entzündete. Ergebnis: Die Paare stritten über kein Thema so zäh und ausdauernd wie über Geld. Die Mehrzahl der Paare empfand den Streit um das Geld als bedrohlich für die gemeinsame Zukunft. Bei keinem anderen Konfliktthema fiel es den Eheleuten so schwer, eine Lösung zu finden.
Der Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler von der Universität Wien ging der Frage nach, worüber sich Ehepaare unterhalten und worüber sie streiten. Dazu ließ er 40 Paare ein Jahr lang Tagebuch führen. Wirtschaftliche Themen waren die konfliktträchtigsten von allen. Die Paare stritten immer wieder darüber, für welche Dinge wie viel Geld ausgegeben werden solle.

Machen Sie selbst einmal ein Experiment: Schreiben Sie einen Monat lang auf, worüber Sie sich Sorgen machen. Das können alle Bereiche sein: der Beruf, die Gesundheit, die Kindererziehung, die Finanzen, die Partnerschaft, das Körpergewicht usw. Nach einem Monat werten Sie aus: Wie viele dieser Probleme wären nicht aufgetreten, wenn Sie Geld im Überfluss hätten? Sie werden sehen, dass es eine ganze Reihe von Sorgen gab, die Sie nicht gehabt hätten, wenn Sie genug Geld hätten. Sie werden aber auch sehen, dass es viele Sorgen gibt, die Sie auch mit genügend Geld gehabt hätten. Bei diesen Sorgen schreiben Sie bitte auf, ob sie leichter zu ertragen gewesen wären oder ob die damit verbundenen Schwierigkeiten besser hätten gelöst werden können, wenn Sie deutlich mehr Geld besäßen.

Der gesunde Menschenverstand sagt, dass die meisten Menschen lieber mehr als weniger Geld haben, und zwar schon deshalb, weil man mit mehr Geld aus einer größeren Fülle von Gütern und Dienstleistungen auswählen kann. Mit einem höheren Einkommen kann man Dinge auf der Hitliste erreichen, die weiter oben stehen und die bisher nicht erreicht werden konnten, weil man sie nicht bezahlen konnte. Beobachten wir nicht, dass Menschen sehr viel dafür tun, um ihr Einkommen zu steigern? Gewerkschaften rufen Streiks aus, Rentner gehen auf die Straße, Manager aller Hierarchiestufen arbeiten bis zum Umfallen, Arbeiter stehen stundenlang am Fließband und die Köche bei McDonalds braten für sieben Euro fünfzig acht Stunden am Stück Hamburger. Alles nur, um an Geld zu kommen. „Je höher das Einkommen“, so die Ergebnisse der modernen Forschung, „umso zufriedener die Menschen. Erstaunlich dabei war, dass sich auch für Einkommen jenseits von 120.000 Dollar pro Jahr dieser positive Zusammenhang noch nachweisen ließ. Es gibt keinen Sättigungspunkt, zusätzliches Einkommen verschafft überall mehr Zufriedenheit.“ Die Forschungen zeigten sogar, dass der gleiche prozentuale Einkommenszuwachs bei höheren Einkommen einen stärkeren Effekt auf die Lebenszufriedenheit hat als bei niedrigerem Einkommen.

Natürlich gibt es zahlreiche Lebensumstände, die nicht direkt etwas mit Geld zu tun haben. Arme wie reiche Menschen werden krank, arme wie reiche Menschen haben Beziehungsprobleme oder werden von ihrem Partner verlassen. Das interessante Ergebnis der wissenschaftlichen Glücksforschung lautet jedoch: „Es zeigt sich, dass arme Menschen erheblich stärker unter negativen Lebensumständen wie beispielsweise einer Krankheit, einer Scheidung oder Einsamkeit leiden als reichere.“ Das ist ein ganz besonders wichtiger Befund, weil er zeigt, dass das Einkommen beziehungsweise Vermögen auch Ausstrahlung auf andere Lebensbereiche hat. Die meisten Menschen wissen, dass es besser ist, mehr Geld zu haben als weniger Geld zu haben. Zwar behaupten sie oft etwas anderes, um sich selbst über den Zustand finanziellen Mangels hinwegzutrösten. Aber dennoch spielen jeden Monat 20 Millionen Deutsche Lotto. Vielleicht wissen sie sogar, dass die Wahrscheinlichkeit, 6 Richtige zu tippen, nur bei 1:15 Mio. liegt, aber dennoch machen sie jede Woche ihre Kreuze – und sagen dann vielleicht doch später bei einer Diskussion am Stammtisch: „Geld ist nicht wichtig“ oder „Geld macht nicht glücklich“. Kein vernünftiger Mensch wird behaupten, Geld allein mache glücklich. Sie haben schon in der Einleitung zu diesem Buch viele Beispiele von Menschen gelesen, die beispielsweise im Lotto gewonnen oder auf andere Weise schnell zu Geld gekommen sind – und es schon bald wieder verloren haben. Hat Geld diese Menschen unglücklich gemacht? Vordergründig gesehen mag dies so erscheinen, denn hätten sie das Geld nicht gewonnen, wäre ihnen der spätere Leidensweg mit einer hohen Verschuldung, der nicht selten in der Privatinsolvenz endete, erspart geblieben. Entscheidend ist in der Tat nicht, wie viel Geld Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt haben, sondern wie Sie damit umgehen. Haben Sie gelernt, das Geld zu erhalten und zu vermehren? Nur dann kann Geld dazu beitragen, dass Sie zufriedener oder glücklicher im Leben sind.

Deshalb ist es eine gefährliche Illusion, wenn Menschen glauben, ihre Probleme – zumindest die finanziellen – seien gelöst, wenn sie auf einmal zu viel Geld kämen, etwa durch eine Erbschaft, durch eine reiche Heirat oder auch durch einen Lottogewinn. Vieles spricht eher dafür, dass ihre Probleme dann erst beginnen. Aber das liegt natürlich nicht am Geld, sondern an den Menschen, die nicht gelernt haben, wie man es klug verwendet, um es zu erhalten und zu vermehren.

Wenn viele Menschen pauschal sagen, „Geld ist nicht wichtig“ oder sogar „Geld macht unglücklich“, dann ist das Motiv offensichtlich: Da sie kein Geld haben, wollen sie sich selbst trösten. Aber die allermeisten Menschen werden doch der Aussage zustimmen, dass Freiheit glücklich macht. Dass „Freiheit“ etwas eindeutig Positives, Erstrebenswertes ist, wird von sehr viel weniger Menschen bestritten als die Ansicht, dass Geld etwas Positives und Erstrebenswertes sei.

Wer richtig mit Geld umgeht, wer es versteht, es zu erhalten und vermehren, der ist jedoch zugleich auch freier als derjenige, der unter Geldmangel leidet: Er muss sich keine Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen, er kann dort leben, wo er möchte, er kann dorthin reisen, wohin er möchte, und er kann auch seine eigene Meinung freier äußern als derjenige, der finanziell abhängig und unfrei ist.

„Geld ist der Schlüssel zur Freiheit“, sagte die französische Modeschöpferin Coco Chanel, die aus eigener Kraft zu großem Reichtum gekommen ist. Für sie war das Geld ein „Symbol für Unabhängigkeit“. Das ist richtig, jedoch nur unter bestimmen Voraussetzungen. Wer „Reichtum“ nur mit „sehr hohem Einkommen“ verbindet, aber sein Geld jeden Monat mit vollen Händen ausgibt, der ist nicht frei. Denn er macht sich selbst abhängig von einem sehr hohen Lebensstandard, und er wird stets von der Sorge geplagt, wie es ihm denn geht, wenn seine Einkommensquellen versiegen. Vieles spricht dafür, dass jene Menschen, die vor allem deshalb nach Reichtum streben, um Luxusgüter zu konsumieren und sich einen sehr aufwendigen Lebensstil leisten zu können, nicht glücklich damit werden.

Das belegt eindrucksvoll eine Studie des amerikanischen Wissenschaftlers Thomas J. Stanley. Er befragte mehrere Hundert amerikanische Vermögende, die alle zwischen 1946 und 1964 geboren waren und alle mit einem ähnlich hohen Gehalt gestartet waren. Eine der Fragen, die diesen Personen gestellt wurde, lautete, wie zufrieden sie insgesamt mit ihrem Leben seien. Sie konnten auf einer Skala von eins bis fünf ihre Zufriedenheit ausdrücken.

Im Median verdiente die Gruppe der Unzufriedenen 203.000 Dollar, die Gruppe der Zufriedenen verdiente 307.000 Dollar. Das war jedoch nicht der entscheidende Unterschied. Der größte Unterschied bei beiden Gruppen bestand darin, wie viel Vermögen sie in den vergangenen 30 Jahren aufgebaut hatten. Die Gruppe der sehr zufriedenen Reichen hatte ein Vermögen von 1,38 Mio. Dollar aufgebaut, die Gruppe der Unzufriedenen hatte in der gleichen Zeit nur ein Vermögen von 304.000 Dollar angespart. Die Unzufriedenen besaßen 1,5-mal so viel, wie sie verdienten, die Zufriedenen 4,5-mal so viel. Die Häuser, in denen beide Gruppen lebten, waren ungefähr gleich viel wert (798.000 bzw. 785.000 Dollar). Der Unterschied lag darin, dass die eine Gruppe eher konsumorientiert war und das verdiente Geld ausgegeben hatte, um sich einen sehr hohen Lebensstandard zu leisten. Die andere Gruppe war sparsamer – sie verband mit Reichtum nicht den Erwerb teurer Konsumgüter, sondern die finanzielle Unabhängigkeit.

Sie sehen also, dass es sich lohnt, sich ausgiebiger mit der Frage zu befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen Geld zum Lebensglück beiträgt. Und Sie haben gesehen, dass die Antwort darauf sehr differenziert ausfällt, weil sie vor allem davon abhängt, ob derjenige, der nach Reichtum strebt, damit in erster Linie ein Luxusleben oder vor allem die finanzielle Unabhängigkeit und Sicherheit verbindet.

Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist ein erfolgreicher Immobilieninvestor und mehrfacher Buchautor.

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