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Manuel Koch in Israel: »So erlebe ich den Gazakonflikt hautnah«

4 Min.

15.08.2014

Ich sitze in einer Propeller-Machine der israelischen Fluggesellschaft Arkia vom Badeort Eilat ins pulsierende Tel Aviv. Unter mir fliegt Dreiviertel von Israel innerhalb von 50 Minuten vorbei. Ich sehe sehr viel Wüste und eine Landschaft, die von oben sehr zerklüftet aussieht. So gespalten erscheint mir auch dieses Land. Es ist mein viertes Mal hier und diesmal ist es besonders unwirklich: Über 1.900 Menschen sind nach palästinensischen Angaben in den letzten Wochen im Gazastreifen ums Leben gekommen. Auf israelischer Seite sind 67 Tote zu beklagen, 64 von ihnen waren Soldaten. In dieser Woche starben zudem zwei Journalisten im Gazastreifen durch ein später explodierendes israelisches Geschoss. Die Aufnahmen des Leids sind aber mit Vorsicht zu betrachten. In diesem Konflikt werden Bilder als mediale Macht missbraucht und manipuliert.

Keine 70 Kilometer vom Gazastreifen liegt Tel Aviv, das wörtlich übersetzt „Hügel des Frühlings“ bedeutet. Mit gut 3,8 Millionen Einwohnern der größte Ballungsraum Israels. Hier ist von dem Konflikt wenig zu spüren. Die Bars und Restaurants sind abends voll. Vor einer Woche hatte es einen Raketen-Alarm gegeben, erzählen mir einige junge Israelis als ich mir gerade einen der zahlreichen Luftschutzräume anschaue. David ist 19 und gerade aus Peru aus religiösen Gründen nach Israel gekommen. Eigentlich arbeitet er in einem der großen Hotels am Strand. Doch zurzeit bekommt er nur zwei von sonst sechs Arbeitstagen pro Woche zugeteilt. Es sind kaum Touristen da. Wo er und seine Kollegen als Kellner morgens sonst 2.000 Gäste beim Frühstück bedienen, waren es in dervergangenen Wochen nur 200.“Langsam kommen die Touristen zurück. Diese Woche waren es schon wieder 500 Frühstücksgäste“, sagt er. David hofft auf eine schnelle Entspannung der Lage, denn als Kellner hat er umgerechnet nur 550 Euro im Monat Juli verdient. Normalerweise sind es gut 1.000 Euro.

Markttreiben in Tel Aviv

Der Konflikt wird Milliarden verschlingen. Experten schätzen die Schäden im Gazastreifen auf 4,5 Milliarden Euro. Israel gibt geschätzte 120 Millionen Euro pro Woche für die Kampfhandlungen aus. Die Rüstungsindustrie wird davon profitieren, aber bei anderen Konflikten musste das Land auch schon einmal geplante Sozialausgaben kürzen, um die Milliarden wieder reinzukriegen. Wichtig für das Land ist aber auch, dass der Flughafen Ben Gurion den Betrieb am Laufen hält. Als zuletzt eine Rakete der Hamas anderthalb Kilometer entfernt einschlug, strichen viele Airlines weltweit ihre Verbindungen. Israel betonte immer, dass der Flughafen sicher sei. Auch Dank des Raketenabwehrsystems Iron Dome.

Vergleichsweise leerer Strand in Tel Aviv

8,2 Millionen Menschen leben in Israel, davon sind 6,1 Millionen Juden und 1,7 Araber. Der in Deutschland geborene Marcel leistet gerade seinen Wehrdienst in Jerusalem ab. Für Männer sind es drei Jahre, für Frauen zwei Jahre in der Armee. Der 27-jährige ist schon in Deutschland zum Judentum konvertiert und möchte einmal dauerhaft in Israel leben. Spricht man mit den Israelis sinddiese nicht gegen den Kampf – vor allem sind sie für den Kampf gegen die Hamas. „Die radikal-islamistische Hamas benutzt Menschen als Schutzschild für ihre Waffenverstecke“, sagt mir Guy. Er ist 28 und arbeitet im Importgeschäft. „Mit denen kann man nicht reden, die muss man hart treffen.“ Auf der anderen Seite sehen sich viele Araber durch Israels Siedlungspolitik gestört. „Israel ist einfach zu keinem richtigen Kompromiss bereits“, meint Ramsi (32). Der Araber hofft auf eine Vermittlung in Kairo.

In Ägypten wurde gerade die Waffenruhe durch Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas erfolgreich bis Montag verlängert. Hamas-Führer Isat al-Rischek teilte mit, die Frist solle zu weiteren Beratungen für eine dauerhafte Waffenruhe dienen. US-Präsident Barack Obama sprach am Telefon mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und forderte eine dauerhafte Waffenruhe in Nahost.

Klagemauer in Jerusalem

Mein Flug von Eilat landet in wenigen Minuten in Tel Aviv. Knapp 80 Passagiere sind an Bord. Als alleinreisender Mann wurde ich zuvor besonders gecheckt: die obligatorische Befragung durch Sicherheitspersonal, mit einem Tuch wurde über meine Sachen gestrichen und nach Sprengstoff gesucht und mein iPad durfte ich nicht mit ins Handgepäck nehmen. Es fliegt in einer weißen Boxim Bauch des kleinen Fliegers mit. Ganz hinten fällt mir ein Mann auf – er ist offensichtlich der Sky Marschal und müsste bei einem Terrorakt in der Luft reagieren.

Als wir landen, setze ich meinen Fuß wieder auf das Heilige Land. Schön ist es hier immer – besser wäre nur, wenn das Sicherheitsgefühl nicht durch übertriebene Vorkehrungen käme, sondern durch eine langfristige Friedenspolitik.

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