Selten war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts so erwartbar wie dieses: die Berechnungsgrundlage der Grundsteuer verstößt gegen die Verfassung. Die zur Berechnung verwendeten Einheitswerte entsprechen demnach nicht dem Gebot der Gleichbehandlung, weil sie auf jahrzehntealten Wertverhältnissen beruhen. Das ist letztlich allen, wirklich allen relevanten Akteuren schon lange klar. Bis Ende 2019 muss nun aber eine Lösung her, das haben die Verfassungsrichter deutlich gemacht.
Die Politik hat jetzt also keine Ausreden mehr. Dass der Gesetzgeber so lange gezögert hat, sich auf ein neues Verfahren festzulegen, liegt auch daran, dass die Auswirkungen äußerst umfassend sind. Nur wenige Steuerarten betreffen so viele Menschen wie die Grundsteuer. Sie kann auf die Mieter umgelegt werden und wird praktisch von jedem Haushalt in Deutschland entrichtet, egal ob es sich um Mieter oder Eigentümer handelt. An eine Reform trauten sich Bund und Länder aus diesem Grund nicht heran und offenbarten damit eine eklatante Entscheidungsschwäche.
Dabei werden schon seit Längerem verschiedene Modelle für eine Reform diskutiert. Auf ein Modell, das sogenannte Kostenwertmodell, hatte sich die Mehrheit der Bundesländer sogar schon geeinigt, allerdings grätschten Hamburg und Bayern dazwischen. Das ist nachvollziehbar, denn dafür müsste anhand der Herstellungskosten der Wert jedes Gebäudes ermittelt werden – ein riesiger Verwaltungsakt, für den schlicht nicht genug Zeit ist. Eine weitere Möglichkeit wäre, zur Berechnung der Grundsteuer nur den Bodenwert zu berücksichtigen. Das wäre zwar einfach und praktikabel, aus Sicht des IVD jedoch ebenfalls verfassungswidrig, weil unbebaute Grundstücke im Verhältnis zu ihrem Verkehrswert stärker belastet würden als bebaute Grundstücke.
Bleibt das sogenannte „Südländermodell“, ein von den südlichen Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen eingebrachter Vorschlag, für den sich auch der IVD ausspricht. Um die Grundsteuer zu ermitteln, würden die Grundfläche des Bodens und die Nutzfläche des Gebäudes verwendet. Das wäre relativ schnell und unbürokratisch umsetzbar, steigende Grundstückspreise und Baukosten müssten außerdem nicht automatisch zu höheren Steuerkosten führen. Aber egal, wie die Reform am Ende aussieht, eines dürfte feststehen: Sie sollte aufkommensneutral sein, die Haushalte im Durchschnitt also nicht stärker belasten als aktuell.
Die Gefahr, dass der Gesetzgeber mit der Grundsteuerreform eine Steuererhöhung durch die Hintertür einführt, ist aber tatsächlich gering. Schließlich betrifft die Grundsteuer nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieter – und wenn uns die Gesetzgebung der vergangenen Jahre eines lehrt, dann dass die Politik die Mieter keinesfalls verprellen will. Was hingegen passiert, wenn eine Steuer nur Eigentümer betrifft, zeigen neben dem Beispiel der stetig steigenden Grunderwerbsteuer auch die Pläne der Großen Koalition zur Einführung der Grundsteuer C.
Die Grundsteuer C soll für baureife, aber nicht bebaute Grundstücke anfallen und dadurch Baulandbesitzer dazu animieren, Wohnungen auf ihren Grundstücken zu errichten, statt auf Bodenwertsteigerungen zu spekulieren. In den 1960er Jahren wurde die Grundsteuer C schon einmal eingeführt; sie galt zwei Jahre lang und wurde dann wieder abgeschafft. Private Eigentümer mussten damals reihenweise ihr Land verkaufen, weil sie die neue Steuer nicht finanzieren konnten oder wollten. Das Land ging dann an große Wohnungsunternehmen, die die Steuer erst aussaßen und dann einpreisten. Es ist absehbar, dass in naher Zukunft Ähnliches passieren wird. Wer sein Land aus Spekulationsgründen nicht bebaut, wird sich auch von der Grundsteuer C nicht davon abhalten lassen. Die kleineren Eigentümer aber, die ihr Grundstück nicht bebauen, weil die Baukapazitäten knapp oder die Baukosten zu hoch für eine wirtschaftliche Bebauung sind, sind am Ende die größten Verlierer der Grundsteuer C.
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