Eine Expertenkommission hat sich auf eine Sonderzahlung für dieses Jahr und auf eine Gaspreisbremse für 2023 geeinigt, um Haushalte und Gewerbekunden angesichts der hohen Energiekosten zu entlasten. Hans-Werner Sinn, Ökonom und ehemaliger Präsident des Münchner ifo Instituts, sieht in der krisenbedingten Schuldenfinanzierung den falschen Schritt. In einem Gastbeitrag in der »WirtschaftsWoche« schreibt er, es sei ökonomisch nicht zu verantworten, bei einer Inflation von 11 Prozent, die aufgrund steigender Erzeugerpreise im Gewerbe weiter auf 15 Prozent steigen könnte, weitere Schulden aufzunehmen.
»Die Leistung der Marktwirtschaft besteht darin, dass sie mithilfe des Preismechanismus Knappheiten auf effiziente, schadensminimierende Weise bewältigt«, schreibt er. Das habe schon Ludwig Erhard gewusst, als er vor der Gründung der Bundesrepublik 1948 die Preisbindung aufhob und das deutsche Wirtschaftswunder ermöglichte. Er sehe nicht, dass die Preisbremse zu einer Rationierung führe, die aber nötig wäre, um von Russland unabhängiger zu werden. Da viele Nachbarländer die Gaskäufe ebenfalls subventionierten, führe dies zu einem Überbietungswettbewerb auf dem europäischen Gasmarkt und mache die Energieanbieter immer reicher. Zudem dürften steigende Produzentenpreise dazu führen, dass noch mehr russisches Gas über die Türkei in die Netze fließen würde.
Eine Preisdämpfung unterminiere außerdem den Sparanreiz beim Verbraucher und behindere den dringend nötigen Strukturwandel zugunsten anderer Energieträger. Hans-Werner Sinn meint, der subventionierte Gaspreis würde die Verbraucher sogar zu einem höheren Verbrauch animieren. Aber selbst, wenn sie das Geld für andere Güter ausgäben, würden die Milliarden, die in den aktuellen stagflationären Wirtschaftskreislauf fließen sollen, die Inflation vorantreiben. Er plädiert für ein Ende der Schuldenfinanzierung von Krisen, die zulasten »einer wehrlosen Gruppe von Sparern und Geldhaltern« ausgetragen werde.
MK