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Zahlen, Daten und Rhetorik! So wichtig ist gute Kommunikation in der Finanzwelt

11 Min.

12.01.2024
Zahlen, Daten und Rhetorik! So wichtig ist gute Kommunikation in der Finanzwelt
Der Finanzsektor ist ein Wirtschaftszweig, dem fast die Hälfte der Deutschen mit Argwohn begegnen. Dabei seien das Insolvenzverfahren um den Krypto-Riesen FTX und die Notübernahme der Schweizer Großbank Credit Suisse nur einige Anlässe von vielen gewesen, durch die existenzielle Ängste erneut befeuert und das Vorgehen in der Branche einmal mehr zur Diskussion gestellt werden würde, hieß es mit Blick auf die Umfrage-Ergebnisse in einer Pressemitteilung. Der Weg aus einer solchen Vertrauenskrise führe demnach über eine effektive Kommunikation.
Dieser Meinung sind auch die Rhetorik-Experten Rudolf Wald und Nicolas Zwickl. Sie haben einst einen erfolgreichen Wiener Rhetorikclub gegründet und über Jahre geleitet. Mittlerweile trainieren sie Führungskräfte, Unternehmer und Politiker mit dem Ziel, deren Leadership-Qualitäten zu verbessern. Im Interview erklären sie, was gute Rhetorik ausmacht und warum die Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Kommunikation heutzutage wichtiger ist denn je.
Herr Wald, Herr Zwickl, seit mittlerweile acht Jahren sind Sie als Rhetorik-Trainer aktiv. Zu Ihren Kunden zählen auch Unternehmer und Führungskräfte: Inwiefern sehen Sie einen Zusammenhang zwischen finanziellem Erfolg und rhetorischem Geschick?

Eine direkte Korrelation zwischen finanziellem Erfolg und rhetorischem Geschick manifestiert sich in verschiedenen Aspekten des Geschäftslebens. In der modernen Wirtschaft, wo Geld kontinuierlich im Umlauf ist und nicht von der breiten Bevölkerung gehortet wird, zeigt sich, dass finanzieller Erfolg oft eine Frage der Überzeugungskraft ist. Es geht darum, potenzielle Kunden oder Investoren dazu zu bewegen, in Ideen, Produkte oder Dienstleistungen zu investieren, wobei rhetorisches Geschick eine entscheidende Rolle spielt.

Ein wesentlicher Aspekt ist die Fähigkeit, sich in die Lage der Zielgruppe hineinzuversetzen und deren Bedürfnisse und Probleme zu verstehen. Es ist wichtig, Dienstleistungen oder Produkte so zu präsentieren, dass sie als Lösung für diese Bedürfnisse erscheinen. Es reicht nicht aus, lediglich eine gute Leistung oder ein gutes Produkt zu haben; der Wert dieser Angebote muss effektiv kommuniziert werden, und es muss überzeugend dargelegt werden, warum das Angebot besser ist als das der Konkurrenz und warum sich eine Investition lohnt.

Die Bedeutung von rhetorischem Geschick beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Kundenebene. In jeder Führungsposition, sei es in einem kleinen Team oder an der Spitze eines großen Unternehmens, ist Kommunikation entscheidend. Es ist wichtig, nicht nur Anweisungen geben zu können, sondern auch zu inspirieren und zu motivieren. Ein effektiver Leader nutzt Rhetorik, um ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Vision im Team zu schaffen, was wiederum zu einer höheren Produktivität und besseren Ergebnissen führt.

Auch im Umgang mit Geschäftspartnern und in Netzwerksituationen ist rhetorisches Geschick unabdingbar. In Verhandlungen ist es wichtig, den eigenen Standpunkt klar und überzeugend zu vertreten, um den besten Deal zu erzielen. In Netzwerksituationen, wie beispielsweise einer Cocktailparty, ist es wichtig, über oberflächlichen Smalltalk hinauszugehen und echte, bedeutungsvolle Verbindungen zu knüpfen.

In Krisenzeiten wird rhetorisches Geschick besonders wichtig. In solchen Momenten ist es wichtig, die Rolle der »Wiege der Zuversicht« zu übernehmen. Es ist entscheidend, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen, um das Team, Investoren und Kunden zu beruhigen und zu versichern. Die Fähigkeit, in schwierigen Zeiten eine klare und überzeugende Botschaft zu vermitteln, kann den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass rhetorisches Geschick in der modernen Geschäftswelt unverzichtbar ist. Es geht nicht nur darum, ein Produkt zu verkaufen oder eine Dienstleistung anzubieten, sondern darum, Vertrauen zu schaffen, zu motivieren und zu inspirieren, effektiv zu kommunizieren und in jeder Situation die richtigen Worte zu finden. Diese Fähigkeiten sind entscheidend, um in der heutigen schnelllebigen, wettbewerbsorientierten Geschäftswelt erfolgreich zu sein.

Was bedeutet »Rhetorik« eigentlich? Geht es dabei wirklich nur um die Redekunst im engsten Sinne oder umfasst der Begriff noch weitere Aspekte?

Rhetorik umfasst heute weit mehr als nur die reine Redekunst im klassischen Sinne. Moderne Führungskräfte, die sowohl effektiv als auch charismatisch sein wollen, haben längst erkannt, dass Rhetorik eine umfassendere Bedeutung hat. Es geht nicht mehr nur darum, in politischen Foren oder im Rechtswesen zu überzeugen. Vielmehr ist es wichtig, zu verstehen, dass man sich in praktisch jeder Situation auf einer Bühne befindet, wobei Zuhörer oder Gegenüber in gewisser Weise zu Richtern werden. In jeder Interaktion ist es nötig, selbstsicher und kompetent aufzutreten und zu überzeugen – sei es gegenüber Kunden, Teammitgliedern, Aufsichtsbehörden, Medien, der Öffentlichkeit oder auch mit einem sympathischen Lächeln gegenüber der Reinigungskraft.

Rhetorik kann als ein praktisches Handwerk verstanden werden. Bei jedem Handwerk entsteht ein Endprodukt, und bei der Rhetorik ist dies das überzeugte Gegenüber. Ob es darum geht, jemanden von einer Idee, einem Projekt, einem Produkt, einer Dienstleistung oder von sich selbst zu überzeugen – die Grundprinzipien der Rhetorik bleiben konstant. Entscheidend ist, dass man zeigen kann, das Gegenüber wirklich zu verstehen und das eigene Anliegen mit dessen Bedürfnissen und Sorgen zu verknüpfen und zu kommunizieren. Gelingt dies, überzeugt man nicht nur den nächsten Kunden zum Kauf oder das Vertriebsteam dazu, an seine Grenzen zu gehen, sondern vielleicht auch den Partner dazu, das Frühstück zu machen.

Rhetorik hat ihren Weg vom Senat im antiken Rom bis in die Fahrstühle der Unternehmen gefunden. Man begegnet oft solchen »Rhetorik-Menschen«: dem Kollegen, der sich eloquent in Meetings äußert und durch starke Stimme und sorgfältig gewählte Wortwahl besticht. Oder demjenigen, der das Team zu Spitzenleistungen antreibt und die Unternehmenskultur stärkt. Oder der Dame, die beim Netzwerktreffen mit Worten jongliert, als wären es brennende Fackeln, und so neue Geschäftspartner für einzigartige Projekte gewinnt. Rhetorik, einst als verstaubt geltend, ist plötzlich wieder in Mode und erlebt eine Art zweite Blütezeit.

Sokrates wäre stolz zu sehen, welche Bereiche die Rhetorik heute umfasst: Storytelling, Training in Körpersprache und
Stimmtraining. Die antiken Konzepte der Rhetorik wurden mit neuen Erkenntnissen aus Psychologie, Neurobiologie und Philosophie kombiniert und weiterentwickelt. Diese interdisziplinäre Verschmelzung hat zu einer tiefgreifenden und vielschichtigen Auffassung von Rhetorik geführt, die weit über das klassische Verständnis hinausgeht. Noch nie waren die Anleitungen, um Publikum, Kollegen, Partner und die Öffentlichkeit zu überzeugen, so klar.
In der Finanzbranche scheinen vor allem Zahlen und Fakten im Fokus zu stehen – oder täuscht der erste Eindruck? Welchen Stellenwert nimmt Rhetorik hier ein?
In der Finanzbranche könnte man zunächst annehmen, dass hauptsächlich Zahlen und Fakten dominieren. Dieser erste Eindruck spiegelt jedoch nicht die ganze Wahrheit wider. Tatsächlich spielt Rhetorik eine wesentliche Rolle, die oft unterschätzt wird. Es mag vielleicht zunächst philosophisch klingen: Die Welt da draußen ist nicht so, wie sie ist, sondern so, wie man denkt, dass sie ist. Was bedeutet das? Zahlen und Fakten an sich haben keine inhärente Bedeutung, bis sie in einen Kontext gesetzt werden. Sind die Zahlen und Fakten nicht gut? Warum ist das so, und auf welchen Meinungen oder Überzeugungen basiert diese Sichtweise? Aus welcher Perspektive kann der Sachverhalt so beleuchtet werden, dass er besser klingt?

Im Kontext der Finanzbranche bedeutet dies, dass nicht nur die rohen Daten wichtig sind, sondern auch, wie diese Daten kommuniziert und interpretiert werden. Wenn man beispielsweise mit dem Team spricht, geht es nicht nur darum, ihnen Zahlen und Fakten zu präsentieren, sondern diese so zu vermitteln, dass das Team motiviert wird und sich auf gemeinsame Ziele ausrichtet. Gute Rhetorik kann dabei helfen, auch weniger positive Informationen so zu rahmen, dass sie das Team nicht demotivieren.

Natürlich sollten und können die Fakten nicht verzerrt werden. Rhetorik ist kein Werkzeug zur Manipulation von Fakten, sondern eine Methode, um Informationen effektiv und überzeugend zu präsentieren. Sie spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, wie Entscheidungen getroffen und wie sie innerhalb eines Unternehmens oder gegenüber Stakeholdern kommuniziert werden.

Um die Frage zu beantworten: Zahlen und Fakten sind zweifellos wichtig in der Finanzbranche, aber die wirkliche Kunst liegt darin, wie diese Zahlen und Fakten vermittelt werden. Hinter den Kulissen, wo die entscheidenden Gespräche geführt und Entscheidungen getroffen werden, ist Rhetorik ein unverzichtbares Werkzeug. Sie ermöglicht es, Informationen nicht nur zu übermitteln, sondern auch zu beeinflussen, wie diese Informationen aufgenommen und verarbeitet werden.

Zahlen, Daten und Rhetorik! So wichtig ist gute Kommunikation in der Finanzwelt
Gerade in Deutschland wird der Finanzsektor misstrauisch beäugt: So zeigt eine Untersuchung, dass nur 40 Prozent der Befragten Unternehmen aus dem Bereich Financial Services vertrauen. Inwieweit ist es durch gute Rhetorik möglich, zweifelnde Kunden zu überzeugen oder verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen?

In der Finanzbranche, wo Vertrauen oft eine Herausforderung darstellt, kann die Analogie zu einer Partnerschaftsbeziehung hilfreich sein, um die Bedeutung von Rhetorik zu verdeutlichen. Man stelle sich vor, das Vertrauen zum Partner ist erschüttert, weil man das Gefühl hat, er kümmert sich nicht mehr wie früher. In einer solchen Situation würde man wahrscheinlich das direkte Gespräch suchen, um wieder eine Verbindung herzustellen. Man möchte hören, dass der Partner einen immer noch versteht, die Vorlieben kennt und die Bedürfnisse berücksichtigt.

Diese Analogie lässt sich auf den Finanzsektor übertragen. Wenn Kunden das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse nicht mehr im Mittelpunkt stehen oder sie nicht mehr verstanden werden, ist es an der Zeit, das Gespräch zu suchen. Hier kommt Rhetorik ins Spiel: Durch Wohlwollen, Verständnis für die Zielgruppe und das Präsentieren von Kompetenz können Finanzdienstleister zeigen, dass sie ihre Kunden noch immer verstehen – ähnlich wie in einer Partnerschaft, in der es wichtig ist, die Bedürfnisse und Wünsche des anderen zu kennen und zu berücksichtigen.

Die Verwendung von Rhetorik im Finanzsektor bedeutet also, eine Beziehung zu pflegen, in der Kunden sich wertgeschätzt und verstanden fühlen. Es geht darum, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in der Kunden wissen, dass ihre Anliegen ernst genommen werden und dass die Dienstleister ihre individuellen finanziellen Bedürfnisse und Ziele wirklich verstehen und im besten Interesse handeln. So wie in einer Partnerschaft das Wissen um das Lieblingslied oder Frühstücksvorlieben Nähe und Vertrauen signalisiert, so zeigt im Finanzsektor ein tiefes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse der Kunden, dass sie mehr als nur eine Nummer sind.

Die Digitalisierung stellt derzeit Finanzdienstleister vor Herausforderungen: Bringt diese auch Veränderungen für die Kundenkommunikation mit sich? Gelten also die gleichen rhetorischen Regeln, egal, ob die Kommunikation vor Ort oder per Bildschirm stattfindet oder braucht es für Letzteres neue Herangehensweisen?

In einer Ära, in der die Digitalisierung unaufhaltsam voranschreitet, könnte man annehmen, dass sich auch die Art und Weise, wie Menschen Entscheidungen treffen, grundlegend verändert hat. Doch trotz der zunehmenden Bildschirmzeit und der Tatsache, dass wir immer mehr Menschen über digitale Medien wahrnehmen, bleiben die grundlegenden Entscheidungsprinzipien der Menschen bemerkenswert konstant. Worte, die gezielt und treffend formuliert sind, haben nach wie vor die Macht, uns zu überzeugen – egal, ob wir sie in einer Videokonferenz hören oder auf einer Webseite lesen.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung wird der persönliche Face-to-Face-Kontakt zwar seltener, aber gerade das steigert seine Bedeutung enorm. Diese direkten Kontaktpunkte werden immer mehr zum Schlüssel für beruflichen Erfolg und finanzielle Stabilität. In einer Welt, die von ständigen Veränderungen in sozialen, politischen, wirtschaftlichen und nun auch digitalen Bereichen geprägt ist, bleiben die Prinzipien der Rhetorik zeitlos und unerschütterlich.

Je schneller die Welt sich zu drehen scheint, desto wertvoller wird der kurze Moment des zwischenmenschlichen Austauschs. In einer Zeit, in der Informationen im Überfluss und jederzeit verfügbar sind, wächst die Wertschätzung für den Rat von Experten, die unsere individuelle Situation wirklich verstehen. Und in einer Welt, in der man Preise und Angebote mit wenigen Klicks vergleichen kann, wird die persönliche Sympathie und das Einfühlungsvermögen eines Verkäufers, der sich Zeit für uns nimmt und unsere Bedürfnisse versteht, umso bedeutender.

Für Finanzdienstleister bedeutet dies, dass sie vor neuen Herausforderungen stehen. Die Aufmerksamkeit, die ihnen in der digitalen Welt zuteilwird, ist intensiver, und ihre Kommunikation muss umso überzeugender sein. Ihre Stimme und ihre Worte müssen in der Lage sein, jemanden zu begeistern, der möglicherweise bereits zahlreiche Online-Meetings an diesem Tag absolviert hat. Sie müssen schnell auf den Punkt kommen und gleichzeitig eine Verbindung aufbauen. In einer Welt, die immer digitaler wird, bleibt die Fähigkeit, durch Rhetorik zu überzeugen und echte menschliche Verbindungen herzustellen, unverzichtbar und wertvoller denn je.

Unsere Gesprächspartner:

Rudolf Wald und Nicolas Zwickl sind Rhetorik-Trainer. Gemeinsam führen sie das Unternehmen Wald & Zwickl Rhetorik in Wien. An sie wenden sich Unternehmer, Führungskräfte und ambitionierte Angestellte unterschiedlichster Branchen.

Beitragsbilder: Wald & Zwickl

AS

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