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Wirtschaftsprofilerin: »Wer Emotionen ignoriert, verliert!«

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6 Min.

11.09.2025
Sabine Finkmann bei einer Veranstaltung

Die Wirtschaft gilt als eine Welt der Zahlen, doch dahinter stehen Menschen; jeder davon mit seinen eigenen Motiven und Emotionen. Gerade in der Medizin ist das ein heutzutage nur allzu oft vernachlässigter Fakt, meint Sabine Finkmann. Im Gespräch erklärt die Wirtschaftsprofilerin und Expertin für Mimikresonanz, wie ihr der Fokus auf Empathie eine Nominierung für einen begehrten Medizinpreis eingebracht hat und warum Effizienz und Menschlichkeit kein Widerspruch sein müssen.

Frau Finkmann, für Außenstehende besteht die Wirtschaft aus nüchternen Zahlen, Daten, Fakten. Aber ist das tatsächlich so? Welche Rolle spielen Menschenkenntnis und Emotionen?

Zahlen sind wichtig – aber sie entstehen immer durch Menschen. Entscheidungen werden emotional gefällt und erst danach rational begründet. Wer das versteht, liest Bilanzen anders: nicht nur die Zahlen, sondern auch die Geschichte dahinter. Alles, was wir tun, was wir kaufen, was wir wählen, hat immer eine emotionale Grundlage. Emotionen sind der Motor, der Unternehmen antreibt – oder der Stolperstein, an dem sie scheitern. Sie entscheiden darüber, ob ein Kunde kauft, ob ein Investor vertraut oder ob ein Mitarbeiter bleibt. Rationalität gibt uns Strukturen, aber Emotionen geben die Richtung vor. Deshalb sind sie kein Störfaktor, sondern die wahre Triebkraft hinter jedem Erfolg. Wer Emotionen ignoriert, verliert – wer sie versteht, gestaltet Zukunft!

Ihre Expertise liegt auf den Bereichen Mimikresonanz und Emotionserkennung. Doch welche Relevanz hat sie, wenn hinter dem Bildschirm kommuniziert wird? Lassen sich Emotionen auch per Zoom oder gar schriftlich erkennen?

Absolut! In Videocalls sehe ich dieselben Mikroexpressionen – nur in kleinerem Ausschnitt. Natürlich ist das Gesicht oft kleiner, die Qualität schwankt, aber die Signale sind da: ein kurzes Zucken im Mundwinkel, ein Augenaufschlag zu viel, eine minimale Spannung in der Stirn. Dazu kommt die Körpersprache im Rahmen – wie jemand sitzt, ob er sich zurücklehnt oder zugewandt bleibt, ob die Hände sichtbar sind oder nicht. Auch die Stimme verrät viel: Tonlage, Sprechtempo, Pausen – all das transportiert Emotionen! Besonders spannend: In digitalen Meetings achten wir oft unbewusst stärker auf Mimik, weil andere Sinneseindrücke fehlen.

Und auch schriftlich verraten Menschen unglaublich viel: Wortwahl, Satzbau, Rechtschreibung, Emojis, sogar die Geschwindigkeit, mit der jemand antwortet. Sprache ist wie ein Fingerabdruck – sie spiegelt Denkstrukturen, emotionale Verfassung und oft auch unbewusste Haltungen wider. Auf Social Media wird das noch deutlicher: Verwenden Menschen eher distanzierte Fachsprache oder persönliche, emotionale Formulierungen? Greifen sie zu vielen Ausrufezeichen, Smileys oder betonen sie ihre Aussagen mit »immer« und »nie«? All das sind Hinweise darauf, wie jemand tickt. Natürlich ersetzt das kein direktes Gespräch, aber es bietet wertvolle Puzzleteile. Wer bewusst liest und hinschaut, kann aus digitalen Signalen herausfiltern, ob jemand unsicher, dominant, empathisch oder eher verschlossen ist. Gerade in Zeiten von Remote Work und Online-Kommunikation ist diese Fähigkeit Gold wert.

Für Ihre Arbeit in der Medizinbranche sind Sie auch für den German Medical Award nominiert. Welche Errungenschaften haben dazu geführt und welchen Nutzen stiften sie für die Branche?

Mit meiner Arbeit habe ich gezeigt, dass Mimikresonanz nicht nur in Wirtschaft und Kriminalistik funktioniert, sondern gerade in der Medizin ein echter Hebel ist: Ärzte, die Emotionen lesen, reduzieren Missverständnisse, verbessern Aufklärungsgespräche und stärken die Beziehung zum Patienten. Genau deshalb ist es für mich eine riesige Ehre, für den German Medical Award nominiert zu sein – weil diese Nominierung sichtbar macht, dass Emotionserkennung trotz aller Digitalisierung unverzichtbar ist. Technik kann Prozesse beschleunigen, aber sie ersetzt nicht das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden. Für mich bedeutet die Auszeichnung die Anerkennung, dass Menschlichkeit systemrelevant ist – und gleichzeitig der Auftrag, weiter dafür zu kämpfen, dass Empathie und Emotionen im Gesundheitswesen denselben Stellenwert haben wie Effizienz und Innovation. Und auch wenn diese Nominierung aus der Medizin kommt: Die Botschaft gilt für alle Branchen. Ob in der Wirtschaft, im Recruiting oder in Verhandlungen – überall dort, wo Menschen miteinander arbeiten, entscheiden Emotionen über Erfolg oder Misserfolg.

Gerade im Medizinsektor zählt Effizienz – für viele ein Argument für automatisierte Prozesse. Sie allerdings betonen die Bedeutung von Empathie. Wie passt das zusammen?

Effizienz ist wichtig, keine Frage. Aber wenn Patienten sich missverstanden fühlen, kommen sie häufiger wieder, brauchen mehr Erklärungen – und genau das ist am Ende ineffizient! Empathie dagegen spart Zeit und Kosten, weil sie Vertrauen schafft. Die Studie von DiMatteo aus dem Jahr 1979 hat gezeigt: Patienten, die sich gesehen und verstanden fühlen, sind deutlich complianter und erzielen nachweislich bessere Ergebnisse. Das bedeutet: Menschlichkeit ist nicht das Gegenteil von Effizienz, sondern ihr Multiplikator. Gerade die Verbindung von Empathie und Technik macht uns erfolgreich – weil Menschen sich wahrgenommen fühlen, Vertrauen aufbauen und dadurch bereit sind, Höchstleistungen zu bringen. Ob in der Medizin, in Teams oder in Unternehmen: Wo Empathie und Digitalisierung Hand in Hand gehen, entsteht echte Zukunftsfähigkeit.

Was kann ein stärkerer Fokus auf Mimikresonanz und Emotionserkennung im Gesundheitswesen konkret bewirken – welchen Stellenwert hat er im Hinblick auf die Zukunft der Praxen und Kliniken?

Ein stärkerer Fokus auf Mimikresonanz und Emotionserkennung kann im Gesundheitswesen ein echter Gamechanger sein. Er verändert nicht nur das Klima – weg von Frust und Überforderung, hin zu mehr Verständnis und Wertschätzung –, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung. Patienten fühlen sich gesehen, ernst genommen und sind dadurch motivierter, Therapien einzuhalten. Teams arbeiten harmonischer, weil unterschwellige Konflikte früher erkannt und gelöst werden. Das steigert die Arbeitszufriedenheit und senkt gleichzeitig Fluktuation und Krankheitsausfälle.

Langfristig wird Mimikresonanz damit zu einem echten Standortvorteil: Praxen und Kliniken, die Empathie sichtbar leben, ziehen nicht nur mehr Patienten an, sondern auch Fachkräfte, die genau in einem solchen Umfeld arbeiten wollen. Und in einer Zeit, in der qualifiziertes Personal rar ist, entscheidet das über die Zukunftsfähigkeit einer Einrichtung.

Kurz gesagt: Emotionserkennung sorgt dafür, dass medizinische Versorgung nicht nur effizienter, sondern auch menschlicher wird – und genau diese Kombination macht Praxen und Kliniken stark für die Zukunft.

AS (L)

Sabine Finkmann im Porträt

Unsere Gesrächspartnerin:

Sabine Finkmann ist Wirtschaftsprofilerin mit über 15 Jahren Erfahrung in der Analyse menschlichen Verhaltens und der Optimierung von Personalentscheidungen.

Beitragsbilder: Daniela Möllenhoff, Ronny Barthel

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